Dies sind die Übersichtsseiten über die vorhandenen Dateien.
Quellen zur Filmgeschichte 1923-1929: HCITR
Eine kurze Einführung in die Geschichte der
Zensur während der Rheinlandbesetzung.
Rundschreiben 155
Daten siehe auch Filmabc ;
Mitteilungen
2. November 1927
Mein lieber Freund,
Es ist schon lange her, dass ich nicht Gelegenheit
hatte, mit Ihnen über eine kleine französisch-deutsche An-
legenheit zu sprechen. Ich bedauere es, weil ich dadurch et-
was den Kontakt mit der interessanten Bemühung, die Sie mit
so viel Intelligenz und Ausdauer in Rheinland verfolgen, ver-
loren habe. Ich gebe hierdurch meinen Wunsch Ausdruck, in der
nächsten Zeit Gelegenheit zu haben, mich mit Ihnen zu unter-
halten.
Doch möchte ich Sie heute über folgendes unterrichten:
Ich hatte Gelegenheit, in Berlin einem meiner Freun-
de zu helfen, dessen Namen und Talent Sie vielleicht kennen,
Abel Gance, der, glaube ich, einer der grössten in der franzö-
sischen Kinematographie ist. Ich half ihm, seinen Film Napo-
leon [!= Napoleon] in Berlin vorzuführen, der einen sehr grossen Erfolg
erzielt hat. Bei dieser Gelegenheit bin ich mit den Delegier-
ten der Ufa in Verbindung getreten. Sie teilten mir dort eine
der Angelegenheiten mit, die sie stark beschäftigte- die
Möglichkeit, im Rheinland einen Film, "Der Weltkrieg", zu
spielen.
Ich konnte den Film in Berlin nicht persönlich sehen.
Doch haben ihn Freunde von mir gesehen, deren sicheres Urteil
ich kenne und die mir erklärt haben, dass er wirklich nicht
von der Idee einer nationalistischen Propaganda, besonders
nicht einer antifranzösischen Propaganda inspiziert worden
ist.
Darf ich Sie bitten, sich persönlich dieser Angele-
genheit etwas anzunehmen, die die Interalliierte Kommission
entscheiden soll, mit Ihrer ganzen Objektivität und der ge-
wohnten Grosszügigkeit Ihrer Ansichten ?
Ihnen hierfür in voraus bestens dankend bin ich
stets
Ihr ganz ergebener
gez. Albert Thomas
Herrn Tirard,
Präsidenten der Interalliierten Kommission im Rheinlandgebiet,
Düsseldorf, (Deutschland)
Abschrift !
Der Reichskommissar für die Koblenz, den 10. November 1927
besetzten rhein. Gebiete
Tgb. Nr. 5743.
An den
Herrn Reichsminister für die besetzten
Gebiete,
den Herrn Reichsminister des Innern, )
den Herrn Oberpräsidenten der )
Rheinprovinz, ) Abschrift zur gefälli-
die Herren Regierungspräsidenten )
in Speyer und Birkenfeld. ) gen Kenntnis.
die Landesregierungen in )
Darmstadt und Karlsruhe. )
Betrifft: Verbot des "Weltkrieg-Films".
Letzter Vorbericht vom 18.10.1927 Nr. 5391.
Eine Vorführung des " Weltkrieg-Films" vor Mitglie-
dern der Rheinlandkommission hat heute in Koblenz im Görres-
bau-Kino stattgefunden. Von der Rheinlandkommission nahmen da-
ran teil: Die Mitglieder des Comité de Sureté, Oberst d' Ar-
bonneau Major Wagemanns und Major Quarry, ferner die Herren Mi-
chelsen und Herbertson von der englischen Abteilung, sowie
der Kabinettschef des Herrn Tirard, Getten. Es waren ferner
Vertreter des Reichskommissariats und der Ufa-Film A.G. anwe -
send. Der Film wurde ohne Striche vorgeführt. Soweit sich bei
der auf die Vorführung folgenden Unterhaltung feststellen
liess, hatten die Vertreter der Rheinlandkommission nicht den
Eindruck, dass es sich um einen Film mit militärischen Tenden-
zen handele. Verschiedene Herren äusserten, dass sie persön-
lich keinerlei Bedenken gegen die Zulassung haben würden.
Ein Vertreter der Ufa- Film A.G. überreichte das ab-
schriftlich ( nebst einer bei der Ufa gefertigten Übersetzung)
beiliegende Schreiben des Präsidenten des Internationalen
Arbeitsamtes in Genf, früheren französischen Munitionsmini-
sters, Albert Thomas an Herrn Tirard.
Übersetzung zu R.K. Nr.6431
Interalliierte Rheinland-Oberkommission.
Generalsekretariat.
Nr.24.062/H.C.I.T.R. Koblenz, des 15.Dezember 1927
Der Präsident der Interalliierten Rheinlandoberkommission
an den Herrn Reichskommissar für die besetzten
rheinischen Gebiete, Koblenz.
Unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben No.5139 vom 3. Oktober 1927,
betreffend den Film"Der Weltkrieg", beehre ich mich zu Ihrer Kennt-
nis zu bringen, dass dieser Film am 25. November 1927 nochmals
den Vertretern der Oberkommission in Koblenz zur Prüfung
vorgeführt worden ist.
Bei dieser Prüfung konnte festgestellt werden,dass die
Herausgeber aus eigenem Antrieb gewisse Änderungen vorgenommen
haben, um aus dem Film einzelne, für die alliierten Besatzungsarmeen
als unfreundlich erachteten Stellen auszumerzen.Ausserdem hat
einer Ihrer Vertreter dem Vorsitzenden des Sicherheitsausschusses
der Oberkommission mündlich mitgeteilt, die "Ufa"in Berlin sei
bereit,aus dem ersten Teil "Des Volkes Heldengang", alles zu
entfernen,was sich nicht auf die eigentlichen militärischen
Operationen bezieht, ausserdem hat er ein Aide-Mémoire überreicht,
das eine kurze Darstellung des Inhalts des zweiten Teiles des
Films gibt; der dritte Teil wird ausschliesslich dem Seekrieg
gewidmet sein.
Eine endgültige Antwort kann von der Oberkommission jedoch
erst nach Prüfung des Films in seiner Gesamtheit gegeben werden,
da nur aufgrund einer solchen Prüfung ein endgültiges Urteil
über seine Bedeutung und Tendenzen gebildet werden kann.
Der Präsident der Interalliierten
Rheinland-Oberkommission:
(gez).Paul TIRARD.
Die Interalliierten Generalsekretäre.
(gez.) B.-FLURY-HERARD. W.H.FOX
Antw.lV.12.1927.
Der Reichskommissar für die bes. Koblenz, den 3. Oktober 1927
rhein. Gebiete.
Tgb. Nr. 5139
An den Herrn Reichsminister für die bes. Gebiete
An den Herrn Oberpräsidenten hier;
Abschrift zur gefl. Kenntnisnahme.
Abschrift wird Übersicht im Anschluss an meinen Vorbe-
richt vom 29.9. Nr.5076.
In Vertretung:
gez. Graf Adelmann
========
Der Oberpräsident der Rheinprovinz. Koblenz, den 5. Okt. 1927
Bes. 2165
Abchrift nebst 2 Anlagen wird im Nachgang zu meinem
Erlasse vom 3. Okt. 1927 - Bes. 2145 - mit der Bitte um Kenntnis-
nahme erg. überreicht.
In Vertretung:
gez. v.Sybel.
An den Herrn Regierungspräsident in Wiesbaden
==========
Der Reichskommissar für die Koblenz, den 3. Oktober 1927
bes. rhein. Gebiete.
Tgb. Nr. 5189.
Der Reichskommissar für die bes. rhein. Gebiete
an den Herrn Präsidenten der Interalliierten
Rheinlandkommission,
Koblenz
Durch Note vom 28. September 1927 Nr. 23678 haben Sie mir
mitgeteilt, dass der Film "Der Weltkrieg", herausgegeben von
der Universum Film A.G. (Ufa) verboten wird, da dieser Film
geeignet sei, die öffentliche Ordnung zu stören und die Sicher-
heit der Besatzungstruppen zu beeinträchtigen.
Ich beehre mich darauf hinzuweisen, dass dieser Film, der
von der Kulturabteilung der Ufa hergestellt ist, innerhalb der
deutschen Filmproduktion eine Sonderstellung einnimmt. Dieser
Film ist nicht nur von der Reichszensur für Jugendliche freige-
geben und vom Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht als
Lehrfilm anerkannt worden, er bildet insofern eine Ausnahme, als
jedes Theater, das diesen Film bei der Ufa mietet, sich ausdrück-
lich verpflichtet, ihn nur für sich allein, beziehungsweise nur
mit einer Wochenschau (Aktualitätenberichte) und mit einem ern-
sten Chorgesang zu bringen. Wie die Vorführung dieses Films wirkt,
geht aus den in der Anlage beigefügten Beurteilungen in englischen
Zeitungen hervor. Die Aufnahme, die dieser Film im ehemals feind-
lichem Ausland gefunden hat, beweist meines Erachtens, dass er
in kleiner Weise geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu stören.
Überall, wo der Film in Deutschland gespielt worden ist, hat das
Publikum ihn mit dem grössten Ernste aufgenommen als eine objektive
leidenschaftslose Darstellung des bedeutungsvollsten Zeitab-
schnitts der letzten Vergangenheit.
Diese Tatsachen erweisen, dass eine Vorführung des Films
im besetzten Gebiet in keiner Weise eine Beeinträchtigung der
Sicherheit
Sicherheit der Besatzungstruppen zur Folge haben könnte. Diese
Annahme wird noch dadurch bestärkt, dass der Film bereits eine
Woche lang in den Städten Pirmasens, Kaiserslautern, Landau und
Neustadt gegeben ist, ohne dass die geringste Störung vorgefallen
ist.
Wenn somit die Vorführung des Films im besetzten Gebiet
keinen Anlass zu Beanstandungen geben dürfte, so würde andererseits
die Aufrechterhaltung des Verbots zu grossen Schwierigkeiten füh-
ren. Gerade die Ufa hatte es sich in mühseliger Aufbauarbeit an-
gelegen sein lassen, Beziehungen zwischen der französischen und
deutschen Filmindustrie aufzunehmen und zu fördern. Sie hat Haupt-
werke der franz. Filmkunst wie: Das Wunder der Wölfe" und "Napoleon"
von Abel Gance zum Vertrieb in Deutschland erworben. Diese Be-
strebungen der Ufa geben einen deutlichen Beweis dafür, dass die
Filmindustrie berufen ist, durch internationalen Austausch über
alle politischen Zwistigkeiten hinweg Gegensätze auszugleichen.
Diese Bestrebungen würden jedoch durch die allgemeine Entrüstung
über das Verbot eines objektiv und neutral gehaltenen historischen
Filmwerkes wie "Der Weltkrieg" durchkreuzt werden. Das deutsche
Publikum wird nicht gewillt sein zu einer zeit, wo ein solches
Verbot ergangen ist, französische Filme anzusehen. Die Aufrecht-
erhaltung des Verbots des "Der Weltkrieg"-Films würde also nicht
nur die französisch-deutschen Filmbeziehungen im allgemeinen,
sondern auch die Interessen der französischen Filmindustrie, die
naturgemäss auf Verbreitung ihrer Hauptwerke in Deutschland Wert
legt, empfindlich schädigen. Ich beehre mich daher darum zu bit-
ten, dass die Interalliierte Rheinlandoberkommission in eine
neue wohlwollende Prüfung des Verbots des "Der Weltkrieg"-Films
eintritt und gebe der Erwartung Ausdruck, dass diese zu einer
Aufhebung des Verbots führen möge.
In Vertretung:
gez. Graf Adelmann.
==========
Abschrift.
Daily News. 20.4.27
* * * * Der deutsche Kriegsfilm scheint von denen bei uns herge-
stellten abzuweichen, denn alle Photographien sind aus deutschen
Erinnerungsfilmen zusammengestellt. Sicherlich wird solch ein Film
mit seinem Realismus eine leidenschaftliche Propaganda gegen den
Krieg sein, soviel er auch den Heldenmut der Deutschen verherrlicht.
Warum können wir nicht einen solchen Film herstellen? Und doch
besitzen wir eine grosse Anzahl von Kriegsfilm-Aufnahmen. Höch-
stens gelangen zuweilen einzelne Bilder zwischen die gewöhnliche
Handelsware, aber wir wollen die Kriegsgreuel eindringlicher zei-
gen. Ich bin überzeugt, das kein Kino solchen Film vorführen
würde, aber es würde das Publikum sehr interessieren, zu erfahren,
was der Krieg in Wirklichkeit war * * * *
Daily Mail (Paris) 24.4.27
* * * * Nach Schluss der Vorführung verliess ein grosser Teil des
Publikums das Theater lautlos, wie Menschen, die aus der Kirche
kommen nach einer [!= so] Requiem, mit dem, Die Israel im Herzen
* * * * Die meisten in diesem Film Mitwirkenden liegen in der
kühlen Erde von Flandern, Frankreich und Polen. Die Zuschauer
erstarrten nach und nach beim Anblick der Schrecknisse und sie
hatten dabei den Abend mit lautem Jubel begrüsst beim Aufmarsch
der
der Truppen. Man sollte den Film in Schweigen ansehen, ohne die
betäubende Musik.
Daily Chronicle, 23.4.27
* * * * Dieser Kriegsfilm hebt Zeit und Raum auf. Im Ufapa-
last hat er gestern 5000 Personen in die Kriegsjahre zurückver-
setzt. Zwei Stunden lebten sie wieder in den Triumphen und Nie-
derlagen, der Hysterie und Seelenangst, von denen sie selbst
und die übrige Welt glaubten, dass sie im Nebel verschwinden
würden. * * * * Wir wollen von vorneherein sagen, dass der Film
wundervoll ist. Er zeigt den Weltkrieg, wie er damals war und
nicht wie er uns in der Erinnerung erscheint. In einer Beziehung
ist der Film fraglos objektiv: Er zeigt die Greuel des Krieges
in ihrem ganzen Realismus und schreckt nicht davor zurück, Nie-
derlagen zuzugeben * * * *
Die Szenen, in denen Tod und Todeskampf auf der Leinwand erschei-
nen, können eine ganze Welt zu Pazifisten machen * * * *
Times, 23.4.27
* * * * es scheint nichts dagegen zu sprechen, dass der Film
in England interessieren wird, wenn auch ein oder zwei Veränderun-
gen vielleicht erforderlich sein würden. Wahrscheinlich würde der
Film bedeutend gewinnen, wenn für das britische Publikum die Ti-
tel ganz ausgelassen würden oder neue geschrieben würden und auf
ein Minimum beschränkt und die geschickten Diagramme allein die
Geschichte erzählten.
Daily-News, 23.4.1927
* * * * Es ist ein treues objektives Bild des Krieges.
Daily Express, 28.4.1927
Die Erfahrungen unserer Feinde sind sicherlich auch
für uns interessant. Wir sind alle neugierig, zu sehen, was sie
erlebt haben, während die solchen Feinden, wie wir sie sind, gegenü-
berstanden und es ist besonders interessant, wenn die Erlebnisse
nach offiziellen Dokumenten verfasst sind. Alle Berichte sind
darin einig, dass "Der Weltkrieg" sensationell interessant ist.
Es gibt nicht so viele interessante Films, als dass wir uns er-
lauben könnten, einen nicht zu sehen. Ein wahrhaftiger Film
über den Krieg kann nur ein Argument gegen den Krieg sein. Für
einen wahrhaftigen Film über den grossen Weltkrieg, auch wenn er
die Erlebnisse unserer ehemaligen Feinde beschreibt, ist auch
bei uns Platz.
Christian Science Monitor 8.6.27
"Der Weltkrieg", der jetzt im Ufa-Palast vorgeführt wird, ist
als Argument gegen den Krieg aufzufassen * * * * Der beste Teil
des Werkes sind vielleicht die Trickfilms, die die Bewegung der
russischen Truppen bei Tannenberg und die Schlacht an der Marne
deutlicher veranschaulichen, als irgend eine Beschreibung tun
könnte.
Zurück zum Anfang