Vorwort | Filmdaten bis 1920 | Filmdaten ab 1920 | Filmdaten noch nicht hier | Nicht-Filmdaten |
---|
Filmstudio Heft 12, März-April 1955
Inhalt
Deutsche Retrospektive
Der deutsche Stummfilm 1895-1929
Biographische Notizen
Friedrich Wilhelm Murnau
Fritz Lang
Joe May
Paul Wegener
Emil Jannings
Werner Krauss
Filmkurs mit Übungen
Film-Colloquium
Der Golem, wie er in die Welt kam
Tragödie der Liebe
Tabu
M
Die andere Seite
Amphitryon
Die ewige Maske
Paracelsus
Das Bioscop
Wege zu Kraft und Schönheit
Zehn Minuten Mozart
In einer Zeit, die arm ist an guten deutschen Filmen, ist es angebracht, den Blick auf weiter zurückliegende Epochen des deutschen Films zu lenken, Epochen, in denen es gelungen war, Werke zu schaffen, die zu den besten ihrer Art gehören. Dieser Blick in die Vergangenheit erinnert daran, dass mit der Geschichte der neuen Kunstform Film auch die Namen vieler deutscher Künstler untrennbar verbunden bleiben werden.
Schon des öfteren nahm das Film-Studio den alten deutschen Film in sein Programm auf, wobei es immer von dem Bemühen um eine wirklich echte Studio-Arbeit geleitet wurde: Neben den grossen Werken der lebenden Regisseure haben die bedeutenden Filme der Frühzeit den ihnen gebührenden Ehrenplatz in der langen Reihe klassischer Filmwerke erhalten und einen Überblick über die Entwicklung des Films ermöglicht. So wurden "Das Cabinet des Dr. Caligari", "Faust", "Der blaue Engel" und "Der Hauptmann von Köpenick" gezeigt, um nur einige wenige Titel zu nennen.
Das vorliegende Programm bringt zum ersten Male ausschliesslich deutsche Filme aus der Zeit 'von 1920 bis 1940. In dieser deutschen Retrospektive, in der fast jede Filmgattung mit je einem interessanten Beispiel vertreten sein wird, können nicht alle Filme ausgesprochene Meisterwerke sein. Das Film-Studio sieht seine Aufgabe nicht allein darin, Spitzenfilme zu zeigen; eines seiner Hauptanliegen ist es, im Laufe der Zeit ein abgerundetes Bild der Film-Geschichte sowie des Films als eigengesetzlichem Kunstwerk in allen seinen verschiedenen Ausdrucksformen zu geben. Aus jeder Filmgattung wird ein charakteristisches deutsches Beispiel - nach Möglichkeit das beste und interessanteste - herausgegriffen. Der phantastische Film gelangt gleichermassen zur Vorführung wie die musikalische Filmkömodie; neben dem Kriminalreisser steht der biographisch-historische Film; der effektgeladene Kolportagefilm ist vertreten, wie auch das feine psychoanalytische Kammerspiel, der Kriegsfilm und der Dokumentar-Spielfilm. Eine bunte Reihe, die das Wiedersehen mit den grössten deutschen Regisseuren und Schauspielern möglich macht, und in der die wesentlichsten Filmkünstler vertreten sind.
Das Film-Studio hofft, dass das Programm der deutschen Retrospektive manche Lücke in der Kenntnis der deutschen Filmkunst schliessen wird, und wünscht allen seinen Mitgliedern eine interessante Begegnung mit diesen älteren Werken aus Stumm- und Tonfilmzeit.
Der deutsche Stummfilm 1895-1929
(Die fo>gende Chronologie beabsichtigt keine lückenlose Aufzählung der deutschen Stummfilme, sie will nur die für die Entwicklung des deutschen Films bedeutsam gewordenen Ereignisse und Filmwerke aufzeigen.)
1895 Am 1. November führen die Brüder Max und Emil Skladanowski im Berliner Wintergarten ihr Bioscop vor. 1(Erste Filmvorführung in Deutschland)
1896 Oskar Messter (Inhaber einer Firma für optische Geräte) der "Vater der deutschen Kinotechnik", erfindet das sogenannte Malteserkreuz und stellt die ersten brauchbaren Kameras und Projektoren her.
1897 Messter errichtet in Berlin das erste Aufnahme-Atelier
Deutschlands. Mit seinen teilweise schon im Jahre 1896 produzierten
Filmen
Am Brandenburger Tor in Berlin
Wilhelm II. in Stettin
In Friedrichsruh (ein Schauspieler in Maske stellt Bismarck dar)
Vom Ernst zum Lachen
Schnellmaler Clown Jigg
wird Oskar Messter der eigentliche Begründer des deutschen Films.
1903 Wanderkinos zeigen auf Jahrmärkten 20-30-Minuten-Programme,
deren einzelne Streifen selten länger als 2 Minuten dauern und u.a.
folgende Titel führen:
Panorama von Atlantic-City
Der unglückliche Forellenfang am Wildbach
Défilé de la Garde Republique à Paris
Der horrible Grimassen- und Fratzenschneider
Reise durch die Schweiz im Sommer
Der Kampf ums Dasein oder Es ist besetzt
Der flinke Rettungspolizist am Hafen
Lehmann ist ein schlechter Kutscher
Amerikanische, englische, französische, italienische und dänische Filmfabriken schicken in jeder Woche Tausende 1von neuen Filmen nach Deutschland.
1905 Die ersten festen Lichtspiel-Theater werden in den grösseren Städten errichtet. Es beginnt der Konkurrenzkampf zwischen Wanderkino und Lichtspiel-Theater.
1907 Der Zwischentitel wird eingeführt und verdrängt den "Erklärer".
1909 Der erste deutsche "Filmstar": Henny Porten spielt, 18jährig, unter
der 1Regie 1von P. Messter in dem Film
Das Liebesglück einer Blinden
1913 Die Geburtsstunde der Filmkritik: Der Hauptdarsteller des Films
Der Andere,
Albert Bassermann, hat als erster grosser Schauspieler den Sprung
vom Theater zum heissumstrittenen Kino gewagt. Ein Ereignis, das von
allen Theaterkritikern eingehend gewürdigt wird. Im gleichen Jahre
erscheint der erste künstlerische Film Deutschlands:
Der Student von Prag
Dieser Film erobert mit einem Schlage den Weltmarkt und lenkt die
Aufmerksamkeit der Filmindustrie aller Länder auf Deutschland. Zum
erstenmal finden sich in den Neubabelsberger Ateliers vier
bedeutende Künstler zu einer bis dahin unbekannten Kollektivarbeit
zusammen: Der Schriftsteller Hanns Heinz Ewers, der Schauspieler
Paul Wegener , der Kopenhagener Regisseur Stellan Rye und der
Filmoperateur Guido Seeber.
1914 Der noch unbekannte Emil Jannings steht in den Filmen
Im Banne der Leidenschaft
Passionels Tagebuch
Arme Eva
zum ersten Male vor der Kamera.
1915 Die ersten Kriegswochenschauen werden gedreht.
In der Heimat werden zur gleichen Zeit sogenannte "patriotische"
Filme hergestellt:
Kriegsgetraut
Es braust ein Ruf wie Donnerhall
Ein Überfall in Feindesland
Die Wacht am Rhein
Todesrauschen
Deutsche Frauen, Deutsche Treue
Das ganze Deutschland soll es sein
Nach dieser ersten Welle feldgrauen Filmkitsches werden wieder
vorwiegend Filmpossen (mit Guido Thielscher, Ossi Oswalda. Paul
Westermeier, Arnold Rieck , Albert Paulig u.a.m.), Sensationsfilme
(mit Harry Piel) und Detektivfilme (Stuart-Webbs-Serie) gedreht.
1916 der dänische Filmkonzern Nordisk Film Kompagni verschafft sich durch eine eigene Produktion in Deutschland einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des deutschen Films. Namhafte dänische Filmkünstler wirken um diese Zeit in deutschen Filmen mit: Asta Nielsen, Valdemar Psilander, Gunnar Tolnaes, Olaf Fönss und Viggo Larsen.
1917 Gründung der UFA (Universum-Film-A.G.) mit einem Aktienkapital von 25 000 000 Mark. Unter dem Einfluss Alfred Hugenbergs entwickelt sich die UFA später zur bedeutendsten Filmgesellschaft Europas.
1918 Ernst Lubitsch dreht mit der neuentdeckten Pola Negri
(Hofschauspielerin des Warschauer Nationaltheaters) Emil Jannings und
Harry Liedtke den Film
Die Augen der Mumie Ma
1919 Deutschland wird in den ersten Nachkriegsjahren das führende
Filmland Europas. Die Entwertung der Mark ermöglicht das Anbieten
deutscher Filme im Ausland zu konkurrenzlosen Preisen. Bei der UFA
entstehen die ersten deutschen Monumental filme mit einem
Riesenaufwand an Ausstattung und bisher unbekannten Massen von
Schauspielern und Komparsen:
Veritas vincit (mit Mia May), Regie: Joe May
Madame Dubarry (mit Pola Negri und Emil Jannings)
Regie: Ernst Lubitsch
Die Pest in Florenz Regie: Otto Rippert
Die beiden grössten Schauspieler des deutschen Films, Emil Jannings
und Werner Krauss, spielen zum erstenmal zusammen in einem Film:
Die Brüder Karamasoff Regie: Carl Froelich
1920 Nach dem Buch von Carl Mayer, dem bedeutendsten Drehbuchautoren des
deutschen Films, dreht Robert Wiene den ersten expressionistischen
Film:
Das Cabinet des Dr. Caligari
Ernst Lubitsch setzt mit
Anna Boleyn
die Reihe seiner historischen Grossfilme fort.
Henrik Galeen und Paul Wegener drehen
Der Golem - wie er in die Welt kam
Der erste deutsche Grosskulturfilm ist
Wunder des Schneeschuhs von Dr. Arnold Fanck.
1921 Die beiden grössten Regisseure der deutschen Stummfilmzeit, F.
W. Murnau und Fritz Lang, beginnen fast gleichzeitig. Nach kleineren
Filmen überraschen sie die Welt mit ihren ersten bedeutenden Werken:
Der müde Tod von Fritz Lang
Schloss Vogelöd von F. W. Murnau
Die deutsche Avantgarde stellt sich mit den ersten abstrakten
Filmversuchen vor:
Rhythmus 21 von Hans Richter
Diagonal-Symphonie von Viking Eggeling
1922
Tragödie der Liebe (mit Emil Jannings), Regie: Joe May
Nosferatu Regie: F.W.Murnau
Dr. Mabuse, der Spieler Regie: Fritz Lang
In der Film-Trilogie
Fridericus Rex Regie: Arzen von Cserepy
tritt zum erstenmal Otto Gebühr in der Maske Friedrichs des
Grossen auf. Diese schauspielerische Gestaltung löst eine Flut 1von
Fridericus-Filmen aus.
1923
Die Strasse Regie: Karl Grüne
Der verlorene Schuh Regie: Ludwig Berger
Opus I von Walter Ruttmann
Die UFA stellt nach dem Verfahren der Tri-Ergon 1(Dr. Engl,
Vogt und Massolle) den ersten Tonfilm her:
Das Mädchen mit den Schwefelhölzern
Schlechte Wiedergabe-Apparaturen lassen den Film bei der Uraufführung
durchfallen; das Patent wird daraufhin in die Schweiz verkauft.
1924 Höhepunkt der deutschen Stummfilmkunst:
Die Nibelungen Regie: Fritz Lang
Das Wachsfigurenkabinett Regie: Paul Leni
und die beiden ersten Filme in Europa ohne Zwischentitel 1(nach
Drehbüchern 1von Carl Mayer)
Der letze Mann Regie: F.W. Murnau
Silvester Regie: Lupu Pick
1925 Wilhelm Prager und Dr. Nicholas Kaufmann unternehmen
den gewagten Versuch, in einem Körperkulturfilm den künstlerischen
Akt als durchgehendes Stilmittel zu verwenden:
Wege zu Kraft und Schönheit
Georg Wilhelm Pabst dreht den ersten und einzigen deutschen
Film mit Greta Garbo:
Die freudlose Gasse
Die "entfesselte Kamera" (von Murnau im "Letzten Mann" eingeführt)
wird von Ewald André Dupont erstmalig konsequent angewandt in seinem
Film:
Varieté
1926 Gerhard Lamprecht dreht den ersten bedeutenden sozialkritischen
Film über das Berliner Proletariat:
Die Unehelichen
Murnau inszeniert seine beiden letzten Filme in Deutschland:
Faust (mit Gösta Ekman und Emil Jannings)
Tartüff (mit Emil Jannings und Lil Dagover)
Der erste psychoanalytische Kammerspielfilm:
Geheimnisse einer Seele (mit Werner Krauss),
1Regie: G. W. Pabst
1927
Die Hose Regie: H. Behrendt
Mit dem grossen Dokumentarfilm
Berlin, Symphonie einer Grossstadt
schafft Walter Ruttmann eine neue Filmgattung und das Vorbild für alle
späteren Städtefllme.
Künstlerischer Höhepunkt des utopischen Films:
Metropolis Regie: Fritz Lang
Das Drehbuch zu diesem - wie auch zu allen übrigen Fritz-Lang-Filmen -
schreibt Thea von Harbou, die erfolgreichste Filmautorin der
Stummfilmzeit.
1928
Spione Regie: Fritz Lang
Alraune Regie: Henrik Galeen
Siemens & Halske und die AEG errichten die deutsche Tonfilm-Industrie,
indem sie die beiden Gesellschaften Ton-Bild-Syndikat A.G. (Tobis) und
Klangfilm GmbH ins Leben rufen.
1929 In den letzten bedeutenden Stummfilmen kündigt sich ein neuer
kraftvoller realistischer Stil an, der zu den Vorläufern des späteren
italienischen Neoverismus gerechnet werden kann:
Menschen am Sonntag Regie: Robert Siodmak
Mutter Krausens Fahrt ins Glück Regie: Phil Jutzi
Im gleichen Jahre werden die ersten deutschen Tonfilme gedreht.
Quellen:
Benjamin S. Eichsfelder, Filmgeschichte in Stichworten, Hagen 1951,
Dr. Oskar Kalbus, Vom Werden deutscher Filmkunst, Berlin 1935,
Charles Reinert, Kleines Film-Lexikon, Zürich 1946.
Zurück zum Anfang
Friedrich Wilhelm Murnau wurde am 28. Dezember 1888 in Bielefeld (Westfalen) geboren. In Heidelberg und Berlin studiert er Kunstgeschichte, geht dann zur Bühne und spielt zusammen mit Conrad Veidt und Ernst Lubitsch bei Max Reinhardt. 1914 meldet er sich als Kriegsfreiwilliger und wird Fliegeroffizier. Noch während des Krieges inszeniert er seine ersten Streifen: Propagandafilme. Von 1919 bis 1926 dreht er in Deutschland 13 Filme. Der bedeutendste unter ihnen ist sein erster UFA-Film "Der letzte Mann" (1924), in dem er erstmalig auf die Zwischentitel verzichtet und mit der sogenannten "entfesselten Kamera" arbeitet. Von William Fox nach Amerika gerufen, dreht er dort noch zwei stumme und einen Tonfilm ("City Girl"). In eigener Produktion schafft Murnau in der Südsee sein grösstes und letztes Werk "Tabu". Sieben Tage vor der ersten Aufführung dieses Films stirbt er am 11. März 1931 an den Folgen eines Autounfalls in Santa Barbara in Kalifornien.
Seine Filme:
1919 Satanas
1919 Der Bucklige und die Tänzerin
1920 Der Januskopf 1(Dr. Jekyll und Mr. Hyde)
1921 Schloss Vogelöd
1921 Die Finanzen des Grossherzogs
1921 Der Gang in die Nacht
1922 Nosferatu
1922 Der brennende Acker
1922 Phantom
1923 Die Austreibung
1924 Der letzte Mann
1925 Tartüff
1926 Faust
1927 Sunrise
1928 Four Devils
1929 City Girl 1(Tonfilm)
1930 Tabu
Fritz Lang wurde am 5. Dezember 1890 als Sohn eines Architekten in Wien geboren. Er besucht die Kunstgewerbeschule in Wien und vervollkommnet später seine künstlerischen Fertigkeiten durch Malunterricht in München und Paris. Nach mehreren Reisen (Afrika, China, Südsee) wird er in Berlin sesshaft. Hier betätigt er sich zunächst als Lektor von Filmmanuskripten, bis er endlich den Auftrag erhält, für Otto Rippert, einen Regisseur von Monumentalfilmen, Drehbücher zu schreiben ("Die Pest in Florenz"). Im Jahre 1919 dreht Fritz Lang seinen ersten Film: "Halbblut", der am Anfang einer ganzen Serie von Abenteurerfilmen unter dem Sammeltitel "Die Spinnen" steht. Seine eigentliche künstlerische Laufbahn als grosser Regisseur beginnt jedoch erst 1921 mit dem Film "Der müde Tod".
Die Drehbücher zu seinen Filmen schreibt er gewöhnlich zusammen mit seiner Frau Thea von Harbou. Weltruhm erringt er durch seinen ersten Tonfilm "M". 1934 geht er nach Amerika, wo er noch heute als Regisseur 1von Thrillern tätig ist.
Seine Filme:
1919 Die Spinnen 1(Serie 1von Abenteurerfilmen)
1919 Halbblut
1919 Der goldene See
1919 Das Diamantenschiff
1919 Der Herr der Liebe
1919 Harakiri
1919 Das wandernde Bild
1919 Butterfly
1919 Vier um die Frau
1921 Der müde Tod
1922 Dr. Mabuse, der Spieler
1923 Die Nibelungen
1923 Siegfrieds Tod
1923 Kriemhilds Rache
1926 Metropolis
1928 Spione
1929 Die Frau im Mond
1931 M 1(erster Tonfilm)
1933 Das Testament des Dr. Mabuse
1935 Liliom 1(Frankreich)
1936 Fury 1(USA)
1937 You only live once 1(Du lebst nur einmal)
1938 You and Me 1(Du und ich)
1940 The Return of Frank James (Die Rückkehr des Frank James)
1941 Western Union
1941 Man Hunt (Menschenjagd)
1943 Hangmen also die 1(Auch Henker müssen sterben)
1945 The Woman in the Window (Die Frau im Fenster)
1946 Scarlett Street 1(Die scharlachrote Strasse)
1947 Secret behind the Door 1(Geheimnis hinter der Tür)
Joe May wurde 1879 in Wien geboren. Er begann seine Bühnenlaufbahn in Berlin, ging aber bald nach Hamburg, um dort Operetten zu inszenieren. 1911 kam er zum erstenmal mit dem Film in Berührung. Mit Ernst Reicher in der Titelrolle startete er 1913 die Stuart Webbs-Filmserie. Damit schuf Joe May den ersten deutschen Detektivfilm von Format. 1915 begann er eine weitere Serie von Detektivfilmen herzustellen, deren Held Joe Deebs hiess. Als 1917 die UFA gegründet wurde, gehörte May zu den ersten Regisseuren dieser Gesellschaft. Jetzt begann seine grosse Zeit. In den Monumentalfilmen "Veritas vincit" (1918), "Herrin der Welt" (1920) und "Das indische Grabmal" (1921) erwies er sich als meisterhafter Regisseur von Massenszenen. Man nannte ihn den "Cecil B. de Mille des deutschen Films". Von seinen späteren Filmen seien hier noch erwähnt: "Tragödie der Liebe" (mit Emil Jannings), "Heimkehr", Äsphalt" und "Die letzte Kompanie". 1934 ging er nach Amerika, wo er allerdings nicht mehr seine einstige Grösse erreichen konnte. Er starb 1954 im Alter von 74 Jahren in Hollywood.
Paul Wegener, geb. am 11. Dezember 1874 in Ostpreussen. Er beginnt seine Bühnenlaufbahn 1895 in Rostock. 1906 ist er in Berlin am Deutschen Theater von Max Reinhardt. Seine erste Berührung mit dem Film datiert aus dem Jahre 1913. Er schreibt die Fabel zu dem Film "Der Student von Prag" und spielt darin die Hauptrolle. Damit wird er der Begründer des deutschen "Kunstfilms", wie man die noch ungewöhnliche Filmgattung damals nannte. Während des ersten Weltkrieges stellt Wegener eine ganze Reihe von bedeutenden Märchenfilmen her: "Rübezahls Hochzeit", "Der Rattenfänger von Hameln", "Der verlorene Schatten" und "Hans Trutz im Schlaraffenland". Seinem Komödiantentum, der Freude an der Verwandlung, kommen die neuen Möglichkeiten des Films entgegen. In seinen Filmen findet sich eine Fülle von Geisterszenen und Doppelgänger-Aufnahmen. Sein bedeutendstes Werk ist der im Jahre 1920 entstandene "Golem". Von da an ist Paul Wegener aus dem deutschen Film nicht mehr wegzudenken. Bis zu seinem Tod (am 13. September 1948) ist er unermüdlich als Regisseur und Schauspieler beim Theater und beim Film tätig.
Emil Jannings, geb. 1884 in Rorschach in der Schweiz, beginnt als 16-jähriger unter dem Pseudonym Emil Baumann am Görlitzer Stadttheater. 1901 fährt er in in kleines Nest nach Böhmen, um an einer Schmiere alle Fertigkeiten eines Schauspielers zu erlernen. Damit beginnt seine eigentliche künstlerische Laufbahn, die ihn - nunmehr unter seinem richtigen Namen - an zahlreiche Bühnen Deutschlands führt. 1914 kommt er nach Berlin ans Deutsche Theater zu Max Reinhardt. Im gleichen Jahre beginnt er mit seinen ersten Filmrollen. Jannings, der "Meister der Maske", spielt in den ersten 10 Jahren seiner Filmlaufbahn u. a. die folgenden Rollen: Ludwig XV., Heinrich VIII., Othello, Danton, Peter der Grosse, Nero, Tartuffe und Mephisto. 1926 folgt Emil Jannings einem Ruf nach Hollywood. Bei seinem Empfang in New York hiess die head-line: "Willkommen, Emil Jannings, König der dramatischen Schauspieler!" Bei einer Wochengage von 5000 Dollar dreht er in Hollywood sechs Filme. Nach dem Aufkommen des Tonfilms kehrt Jannings wieder nach Deutschland zurück. Von seinen Tonfilmen seien genannt: "Der blaue Engel", "Traumulus", "Der zerbrochene Krug", "Robert Koch" und "Die Entlassung". 1950 betrauert eine ganze Welt den Tod des grössten deutschen Filmschauspielers.
Werner Krauss, geb. am 23. Juli 1884 in Gestungshausen bei Coburg. Seine Bühnenlaufbahn beginnt in Nürnberg und Coburg. Sehr bald schon hat er sich die beiden bedeutendsten Theater des deutschen Sprachraumes erobert: das Burgtheater in Wien und das Deutsche Theater in Berlin. Die lange Reihe seiner Filmrollen beginnt mit dem "Dr. Caligari". Zusammen mit Emil Jannings, seinem grossen Freund und Kollegen, filmt er in "Danton", Öthello", "Die Brüder Karamasoff", "Das Wachsfigurenkabinett", Tartüff", "Robert Koch" und "Die Entlassung". Daneben noch zahlreiche andere Rollen, in denen er u. a. grosse Gestalten der Geschichte darstellt, wie Yorck, Napoleon und Paracelsus.
Zurück zum Anfang
Rückblick:
In den Vorlesungen während des vergangenen Wintersemesters wurde eine
erste grundlegende Darstellung der allgemeinen filmischen Begriffe
gegeben. Sie umfasste den Weg von der Filmidee über das Drehbuch und die
praktischen Dreharbeiten bis zum Schnitt.
Die Grundbegriffe wurden in zwei Gruppen eingeteilt:
a) Die Elemente der Komposition, die im wesentlichen aus der Bildanalyse
erarbeitet wurden und die die Gebiete des sich bewegenden Filmbildes
einschliesslich des Trickbildes, des Drehbuchentwurfs und des
Filmschnittes umfassen und
b) die technischen Elemente, die die Aufnahme mit Ausleuchtung und
Lichtmessung, Entwicklung und Kopieren des Filmstreifens, den Schnitt
und die Projektion enthalten.
Während bei den praktischen Übungen an der Kamera, bei der Beleuchtung
und beim Schnitt sämtliche Teilnehmer eigene Erfahrungen sammeln
konnten, fand sich ein Team von vier Interessenten, die sich an der
Ausarbeitung eines Drehbuches für ein Filmexperiment versuchten. Der
vorläufige Arbeitstitel lautet: Filmische Darstellung von
Traumelementen.
Vorschau:
In den Semesterferien soll nach diesem Drehbuch ein Film 1von etwa 10 bis
15 Minuten Dauer gedreht werden.
Im Sommersemester werden die Projektionstechnik einschliesslich aller
Bild- und Tonprobleme bei der Synchronisation, die Arbeit am
Kinoprojektor und die Vorführung von Filmen behandelt. Daneben sollen
die bereits erarbeiteten Begriffe verfeinert und ihre Gültigkeit bei
eigenen Produktionen zur Diskussion gestellt werden.
Kursleitung: Günter P. Schölzel
Zeit des Ferienkurses: Mo. 19.00 ct.
Beginn: 7. März 1955
Ort: Studentenhaus, Zi. 13
Zurück zum Anfang
Auf vielfachen Wunsch setzt das Film-Colloquium auch in den
Semesterferien seine Arbeit fort.
In einem kleinen Kreis, der sich einmal wöchentlich trifft, werden
ausgewählte Filmfragen besprochen, es werden Filmanalysen durchgeführt
und - eine sehr wichtige Aufgabe - es wird über die Programmgestaltung
des Film-Studio diskutiert.
So wurden in den vergangenen Monaten die folgenden Themen behandelt:
Problematik eines Filmtests
Der Stummfilm - heute betrachtet
Synchronisierte oder Original-Fassung
Aufbau einer Filmanalyse
Wie soll das Programmheft eines Film-Studio aussehen?
Dramaturgie und Regie im Farbfilm
Der Filmstil des französischen Regisseurs René Clair
Ausserdem wurden Szenen aus dem Film "La Vie en Rose" analysiert.
Für die Arbeit in den Ferien sind folgende Themen in Aussicht genommen:
Der Dialog im Film
Aufbau einer Filmhandlung (im Gegensatz zum Theater)
Filmdramaturgie
Die Filmzensur
Die Quellen der Filmstoffe
Weiterhin ist vorgesehen, in Verbindung mit dem Filmkurs
selbstproduzierte Studiofilme zu analysieren.
Leitung: Ivar Rabeneck
Zeit: Mi. 20.30 Uhr
Beginn: 9. März 1955
Ort: Studentenhaus, Zi. 107
Zurück zum Anfang
Der phantastische Film:
Der Golem, wie er in die Welt kam
Produktion: UFA (1920)
Drehbuch und Regie: Paul Wegener und Henrik Galeen
Architekturen: Prof. Hans Poelzig
Kostüme: Rochus Gliese
Kamera: Karl Freund
Tricktechnik: Guido Seeber
Darsteller:
Golem: Paul Wegener;
Rabbi Loew: Albert Sfeinrück;
Famulus: Ernst Deutsch;
Mirjam: Lyda Salmonowa;
Junker Florian: Lothar Müthel;
Der Kaiser: Otto Gebühr
Paul Wegener, der erste deutsche Filmkünstler, der den Film als
Kunstform wirklich ernst nimmt, bezeichnete den "Golem" immer als sein
liebstes Kind. Nicht weniger als dreimal gestaltet er diesen Stoff, eine
Geschichte aus der Prager Ghettosage, die bereits durch Heinrich Heine
und Gustav Meyrink ihre literarische Formung erfahren hatte. 1915
dreht er die erste Version: "Der Golem". Danach folgt eine künstlerisch
unbedeutendere Fassung: "Der Golem und die Tänzerin". 1920 endlich
gelingt ihm der grosse Wurf: "Der Golem - wie er in die Welt kam".
Die Fabel von der Tonfigur des Rabbi Loew, die durch einen
Zauberspruch zum Leben erwacht, wird in diesem Film in vollendeter Weise
wiedergegeben. Die Einheitlichkeit dieses filmischen Meisterwerkes hat
ihren Grund darin, dass Wegener, von dem auch die Idee zu diesem Film
stammt, sein eigener Verfasser, Regisseur und Hauptdarsteller ist. Das
war für die damalige Zeit etwas Neues. In Prof. Hans Poelzig findet er
den kongenialen Architekten, der den Geist des Films auf die Bauten
überträgt, Bauten, von denen Wegener selbst sagt: Es ist eine
Stadtdichtung, eine architektonische Paraphrase zu dem Thema "Golem".
Der Film muss bei seiner Uraufführung (29. Oktober 1920) einen
gewaltigen Eindruck hinterlassen haben. Ein Berliner Filmkritiker
schrieb damals: "Nun haben wir Wegeners ,Golem' erlebt. Unmittelbar
nach der Wucht eines solchen Erlebnisses gibt es keine Analyse, keine
klug ausgedachten Worte. Nur eine Frage drängt sich auf unsere Lippen:
Ist so etwas möglich? Ist es denn denkbar, dem Filmband eine solche
Gewalt - eine Zaubermacht, die allein höchsten Kunstschöpfungen
innewohnt, einzuhauchen?"
1922 kam der "Golem" nach USA. Er erreichte allein in New York eine
Laufzeit 1von 10 Monaten. Kopien des Films werden noch heute in den
Film-Studios amerikanischer Universitäten gezeigt.
Zurück zum Anfang
Das Bioscop
In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts lag die Erfindung des Films
gewissermassen in der Luft. So ist es auch nicht verwunderlich, wenn an
mehreren Stellen zugleich - ohne dass der eine Erfinder vom anderen
etwas wusste - an dem Problem, "lebende" Bilder zu projizieren,
gearbeitet wurde. Neben dem Amerikaner Edison, den Franzosen Lumière und
dem Engländer William Paul gelang auch den Deutschen Max und Emil
Skladanowski die Erfindung des Films.
Leider war das deutsche System viel zu kompliziert und schwerfällig,
als dass es Aussicht auf eine erfolgreiche Weiterentwicklung gehabt
hätte. Max Skladanowski benutzte nämlich zwei wechselweise arbeitende
Projektoren, auf deren Filmbänder die einzelnen Bewegungsphasen
irgendeines Vorgangs verteilt waren. Während ein Filmbild projiziert
wurde, rückte in dem abgedunkelten zweiten Projektor das nächste
Filmbild nach. In ihrem ersten Programm, das vom Wintergarten in Berlin
übernommen wurde, zeigten die Brüder Skladanowski (Max war der
Techniker, Emil der Schausteller) die folgenden von ihnen selbst
hergestellten Filmstreifen:
Italienischer Bauerntanz
Komisches Reck
Boxendes Känguruh
Jongleur
Akrobatisches Potpourri
Die Kamerinis
Boxkampf
Diese ersten noch unperforierten Streifen hat man 40 Jahre später -
anlässlich eines Jubiläumsprogramms des Berliner Wintergartens - auf den
heute gebräuchlichen 35-mm-Film umkopiert, so dass es möglich wurde, sie
mit den üblichen Kinomaschinen vorzuführen.
Zurück zum Anfang
Abgesehen von den Werbefilmen hat es in Deutschland nie einen
Zeichentrickfilm von Bedeutung gegeben. Eine Sonderstelllung innerhalb
dieser Filmgattung nehmen die Silhouettenfilme der Berliner Malerin
Lotte Reiniger und die Puppenfilme der Gebrüder Diehl ein.
Im Gegensatz zu den amerikanischen änimated Cartoons", die die
Karikatur und die Groteske bevorzugen, bleiben die Silhouettenfilme mehr
dem Märchen verhaftet, sie sind voller Poesie und Grazie.
Am bekanntesten sind die Filme geworden, deren Stoffe Lotte Reiniger
den Märchen aus 1001 Nacht entnahm:
Die Abenteuer des Prinzen Achmed
Aladin und die Wunderlampe
Daneben stellte sie noch eine ganze Reihe von Kurzfilmen her:
Dr. Doolittle und die Tiere
Carmen
Papageno
Zehn Minuten Mozart
Lotte Reiniger, die eine Zeitlang auch in Rom tätig war, lebt heute als
gesuchte Trickfilm-Spezialistin in London.
Zurück zum Anfang