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Quellen zur Filmgeschichte ab 1920

Texte der Hefte des studentischen Filmclubs der Uni Frankfurt/Main: Filmstudio

Einführungsseite

Filmstudio Heft 25, September 1958-Februar 1959

Inhalt
Ein Besuch bei Gerhard Lamprecht
Zur Problematik sozialproblematischer Zille-Filme
William Wyler
Perlen der Filmkunst
Aktuelles Filmrecht
Münchhausen
Uns kommt das alles spanisch vor
Liebe in der Stadt (Amore in citta)
Der Tag vor der Hochzeit
Irgendwo in Europa
Mädchen in Uniform
Lohn der Angst (LE SALAIRE DE LA PEUR) Charlie Chaplin in
Moderne Zeiten
Polizeirevier 21
Berliner Ballade
An einem Tag wie jeder andere (DESPERATE HOURS)
Wir sind keine Engel
Verbotene Spiele
Belvedere räumt auf (Sitting Pretty)
Raices
Liebenswerte Frauen
Gaunerkavaliere
Ein Mädchen aus Flandern
Das Kabinett des Dr. Caligari


KINO - eingetrockneter Saft von Pterocarpus Marsupium, auf der Malabarküste, dunkelrot, in kochendem Wasser und Alkohol löslich, enthält 30-40 % Gerbsäure; bengalisches KINO von Butea frondosa, australisches KINO von Eucalyptus-Arten. KINO dient als Arzneimittel, zu Zahnpulvern, zum Färben des Weines, auch zum Gerben.
(Meyers Kleines Konversations-Lexikon, Band II, 5. Auflage, Leipzig und Wien 1892, Seite 264.)


Zur Problematik sozialproblematischer Zille-Filme

(Gedanken zum 100. Geburtstag von Heinrich Zille)

Almen, Kaiserinnen, Schlager, Wildschützen, Pantoffelhelden - das sind die »Stilelemente« von ca. 8 % aller Filme, die hierzulande gedreht werden. Wird dabei auch das Wort »Problem« benutzt, so ist das noch lange kein Beweis, dass der Film überhaupt ein solches enthält; und wenn - wie! In unserer Saturiertheit wollen wir uns nicht klarmachen, welche brennenden Probleme es gibt, Probleme, die teilweise durch unsere eigene Schuld entstanden und deren Lösung damit auch unsere persönliche Pflicht wäre.

Einige wenige - es sind meist die, die einen dornenvollen Lebensweg gehen - machen sich aber ein Problem, einen Gedanken zum Herzensanliegen.

Einer davon war der Maler und Zeichner Heinrich Zille, der am 10. 1. 1958 hundert Jahre alt geworden wäre. Zille, ein rührend eigenwilliger Mensch, nahm sich in seinem Lebenswerk vornehmlich sozialer Fragen an. Sein »Milljöh« war das des »Fünften Standes«.

»Der Fünfte Stand«, dies war auch der Arbeitstitel des bisher besten und erfolgreichsten Zille-Filmes; endgültiger Titel: »Die Verrufenen«, Regie: Gerhard Lamprecht. »Die Verrufenen«, das sind jene Bedauernswerten, die vom Kainsmal einer Vorstrafe gezeichnet oft vergeblich um einen Arbeitsplatz nachsuchen und deren Wiedereingliederung in den Wirtschaftsprozess allenthalben auf Vorurteile stösst. Die Figuren Zilles, sonst nur in »Standbildern« verewigt, waren plötzlich zu Leben erweckt worden. Doch ist nicht jeder Film über soziale Fragen ein »Zille-Film«? Ja - und nein.

Der erste Film überhaupt war ein kurzer Streifen der Brüder Auguste und Louis Lumière: »Sortie de l' usine Lumière à Lyon« (»Arbeiter verlassen die Fabrik Lumières«). Wollte man diesen Film seiner Gattung nach bestimmen, so wäre er als Dokumentarfilm zu rubrizieren.

Was hatten die Brüder Lumière gemacht? Sie hatten ihren Aufnahmeapparat gegenüber dem Fabriktor aufgestellt und die Handkurbel beim Herannahen der Arbeiter gedreht, bis der Zelluloidstreifen zu Ende war. Was aber wäre gewesen, wenn sie dasselbe Thema folgendermassen gedreht hätten:
1. Einstellung (Totale): Ansicht des Fabrikkomplexes Lumière. Aussen/Tag
2. Einstellung (Halbtotale): Mauerteil um die Fabrik am Tor nach links. Aussen/Tag
3. Einstellung (Halbtotale): Mauerteil um die Fabrik am Tor nach rechts. Aussen/Tag
4. und 5. Einstellung (Nah): Stück der Mauer, auf der oben Glassplitter in den Zement eingelassen sind. Aussen/Tag
6. Einstellung (Halbnah): Das Tor in der Mauer. Aussen/Tag
7. Einstellung (Nah): Oberer Rand des Torgitters, auf dem Stacheldraht ist. Aussen/Tag
8. Einstellung (Totale): Wie 1. Einstellung. Aussen/Tag
ÜBERBLENDEN
Schwenk nach rechts auf eine Normaluhr, auf der es 10 Minuten vor 5 Uhr ist; Schwenk zurück. Aussen/Abend
ÜBERBLENDEN
9. Einstellung (Gross): Die Normaluhr, es ist kurz vor 5 Uhr. Aussen/Abend
ÜBERBLENDEN
10. Einstellung (Totale): Wie 1. Einstellung: aus dem Fabrikgebäude kommen Arbeiter und nähern sich dem noch immer verschlossenen Tor. Von rechts kommt ein Mann an der Mauer entlang mit einem grossen Schlüsselbund und schliesst das Tor von aussen auf. Die Torflügel werden aufgestossen - - - die Arbeiter verlassen die Fabrik. Aussen/Abend
WISCHBLENDE

Die Verfilmung dieses kurzen »Drehbuches« würde auch kaum mehr als 30 m Material erfordern, die Aussage wäre aber eine vollkommen andere als die des Lumièreschen Filmes. Jetzt ist nämlich eine Tendenz in dem Streifen enthalten - eine sozialkritische Tendenz. Das Problem des 8 Stunden lang »eingesperrten« Arbeiters wird angeschnitten - und wie kurz nur war der Weg zum Problemfilm! Doch auch der umgekehrte Weg ist möglich - und wesentlich leichter.

Aber ein sozialproblematischer Film obiger Form ist noch kein » Zille-Film«. Das wird er erst, wenn der Betrachter weiss, dass der sechste Arbeiter, der da neben dem Mädchen mit dem roten Kopftuch gerade eben durch das Tor geht, der Arbeiter Karl Schulz aus Stahnsdorf ist, der vor einem Monat nach Verbüssung einer fünfjährigen Gefängnisstrafe entlassen wurde und beim Anblick eines zweijährigen Kindes, das ihm seine Frau vorstellte, sagte: »Der is in den fünf Jahrn aba kleen jeblie'm!« Das ist Zille-Milieu! Gerhard Lamprechts Film »Der Fünfte Stand«, den die Vorfahren der heutigen Filmtitulierungsfirma »Sumpf, Heide, Laster & Co.« mit dem Etikett »Die Verrufenen« in den Verleih brachten, war nur einer - wenn auch der beste - einer Reihe von Zille-Filmen. Zille wandte sich selber ganz entschieden gegen mehrere dieser Filme, da er bei ihnen »sein Milljöh« vermisste, weil in diesen Streifen jener oben angedeutete Rückschritt zum reinen »Abfilmen« zu bemerken war, während Zilles Anliegen einfach negiert wurde. Zille erkannte eigentlich nur zwei Filme an, den von Lamprecht und einen Streifen von Carl Boese.

Sozialkritik kann im Film mit Hilfe »erfundener« Personen geübt werden (ob sie dann erschüttern werden, ist noch die Frage!) oder aber auch mit aus dem Leben »gegriffenen«. Vielleicht waren die wirklichen » Zille-Filme« deshalb ein Erfolg, weil es tatsächlieh Zilles »Menschen der Strasse« waren, die mitspielten. Heinrich Zille sagt selbst von Lamprechts Film:

»Eines Tages holte mich mein Freund Dr. Heilborn ab, um Aufnahmen, die nach meinen Bildern und mündlichen Erklärungen so sorgsam "gedreht" wurden, in Augenschein zu nehmen. Ich sah mit Staunen, wie ein Mann, der nicht Maler ist und nicht Zeichner, doch mit der Photographie so kunstvoll zeichnet und malt. Wie ein Kind freute ich mich, wie gut Lamprecht meine gezeichneten Bilder verstanden hatte, noch darüber hinausging und so packend Ernst und Scherz herauskurbelte. Auch bei späteren Filmen hatte ich das Gefühl, dass hier einer ist, der die Volksseele erkannt hat _...«

Doch dann kamen jene Jahre, wo diese »Volksseele« geknechtet wurde. Der Führer verkündete das Ende der Arbeitslosigkeit. Wo durfte es noch ein soziales Problem geben, das zu verfilmen gewesen wäre? Der alte Rentner wurde Blockwart, die Rentnerin durfte Scharpie zupfen. Was jetzt an Problemen auf der deutschen Leinwand erschien, hatte - ähnlich heute - mit diesem Begriffe nur noch das Wort gemein.

Als dann Deutschland ganz unten war, da besann man sich wieder auf Probleme. Zwar keine sozialproblematischen, denn es gab noch viel brennendere - aber es gab wieder Problemfilme. Staudte - Lamprecht - Käutner, das war das Triumvirat eines neuen Filmanfangs. Ein verheissungsvoller Anfang, der durch das deutsche Wirtschaftswunder jäh unterbrochen wurde. Während Helmut Käutner sich nach einigen Entgleisungen wieder fing mit seinen Werken »Ein Mädchen aus Flandern« und »Der Hauptmann von Köpenick«, versackte Wolfgang Staudte künstlerisch und dreht« einen Film über die Akkuratesse bundesrepublikanischer Kuhställe (»Rose Bernd«). Gerhard Lamprecht dagegen begab sich auf Pfade, über die man nur mit dem Kopf schütteln kann. Er versuchte nämlich die Synthese von saturiertem Wirtschaftswunder und Problem. Das Ergebnis war, dass die Probleme in geradezu unmöglicher »Verpackung« serviert wurden.

Seine Probleme:
1. Geburt von Kindern in Gefängnissen (»Madonna in Ketten«),
2. Blutschande (»Der Engel mit dem Flammenschwert«);

seine Verpackung:
1. Bankmilieu
2. Versicherungsmilieu

Vor kurzem wurde unter den Nr. 7897 und 8212 im Filmregister der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft das Leben Heinrich Zilles zur Verfilmung angemeldet. Jetzt, Ihr Produzenten, steht Ihr am Scheideweg - nämlich ob Ihr die »Heinrich-Zille-Story« oder aber »Heinrich Zille - mein Milljöh« verfilmt.       Wolfgang Baecker

Der Realismus ist die objektive Grundlage subjektiven künstlerischen Schaffens.       Gerhard Lamprecht

Wenn das vom Gewissen diktierte Zielbewusstsein der notwendigen Hetze des Tagesablaufs Untertan wird, besteht die Gefahr, dass man von aussen her geformt wird und sich nicht aus sich selber entwickelt, was mir als das Schönste erscheint. Das »carpe diem« soll nicht dem süssen Nichtstun dienen, sondern uns Menschlein die Möglichkeit geben, auch mal zu uns selber zu finden, wobei man oft zum Quell alles Schöpferischen gelangt. Woraus sich dann herleiten liesse, dass es nicht unnütz vertane Zeit war.       Gerhard Lamprecht
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William Wyler Porträt eines Regisseurs

William Wyler wurde in Mülhausen im Elsass geboren und ging in der Schweiz und in Frankreich zur Schule. Er kam über die Werbeabteilung der UNIVERSAL in New York 1920 nach Hollywood. Seit 1926 (»Lazy Lightning«) führte er in nahezu 30 Filmen Regie, u. a. 1930 in »Hell's Heroes«. Nach Kriegsende beeinflusste er wesentlich die neue Linie Hollywoods, das bedingt durch das auf kommende Fernsehen zu grösserer Ungebundenheit und künstlerischer Qualität tendierte. Mit Samuel Goldwyn (als Produzent) schuf Wyler 1946 »The Best Years of Our Lives«, jenem Film, der die erste Begegnung heimkehrender Soldaten mit ihrem Heim, ihren Müttern, Frauen und Kindern schildert. Während man beim amerikanischen Nachkriegsfilm häufig den Einfluss des italienischen Neoverismus spürt, entwickelte Wyler, der schon immer Realist war, seinen eigenen Stil: Durch Gründlichkeit in der Behandlung des Details, das oft zum Symbol wird, und mehr durch Präzision als Intuition zeichnen sich seine Filme aus. Sorgfältig aufgebaute Einstellungen werden möglichst lange durchgehalten. Bei unbewegter Kamera wird ein Maximum an Darstellern und Handlung im Bildraum gruppiert, und der Einstellungswechsel wird durch die Erschliessung des Mittel- und Hintergrundes ersetzt.

Es verwundert deshalb nicht, dass Wyler an Stoffen wie »Detective Story« (1951) und »The Desperate Hours« (1955) Interesse fand. Beide Filme haben literarische Vorlagen, die als Kammerspiele dem Stil Wylers besonders liegen. So gelang es ihm denn auch, subtile psychologische Regungen mittels der filmischen Sprache überzeugend zum Ausdruck zu bringen. Bei diesen Werken zeigt sich deutlich, wie Wyler die filmischen Mittel beherrscht und einzusetzen vermag. In der formalen Meisterschaft liegt aber (nicht nur bei Wyler) gleichzeitig die Gefahr einer Überbewertung der thematischen Konzeption. So entspricht die Lösung des Konflikts in »Polizeirevier 21« nicht der mit konsequenter Sachlichkeit durchgeführten Handlung. Der Film endet mit dem überraschend religiös verbrämten Tod des Helden. In »AN EINEM TAG WIE JEDER ANDERE« erscheint nicht unbedenklich, wenn dem Held, dem Anführer der Verbrecher, sozialkritische Wahrheiten in den Mund gelegt werden, die durch seine unsympathische Gestalt diskreditiert werden

Hier deutet sich an, dass Wyler die Grenze seines Filmrealismus und damit gleichzeitig die Grenze der reinen Virtuosität erreicht hat. Die Handlung - besonders in »Detective Story« (»Polizeirevier 21«) - tritt zurück. Die zweifellos vorhandene dramatische Wirkung wird mit filmischen Mitteln (Kamera) erzielt. Es wird abzuwarten sein, ob Wyler sich in neuen Filmen über das Formale hinwegsetzen kann. Er hat nicht zuletzt durch die Vielfalt seiner Themen - zu nennen sind noch: »The Heiress« (1949), »Carrie« (1952), »Roman Holiday« (1953)-Erfolge beim Publikum und die Anerkennung der Kritik gefunden. Manche halten ihn neben John Ford für einen der grössten Regisseure.       Heinz Kavey

Das FILMSTUDIO zeigt im Wintersemester 1958/59 die beiden Wyler-Filne
»An einem Tag wie jeder andere« (»Desperate Hours«) Besprechung
und
»Polizeirevier 21« (»Detective Story«). Besprechung

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Aktuelles Filmrecht (Zurück zum Heft 23 )

Auszug aus dem Gesetz über Sicherheitskinefilme (Sicherheitsfilmgesetz) vom 11. Juni 1957, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt I, Seite 604.

§ 1 Begriffsbestimmungen
(1) Sicherheitskinefilme sind Kinefilme, die auf anerkanntem Sicherheitsfilm hergestellt sind.
(2) Sicherheitsfilm ist Film, der schwer entflammbar und schwer brennbar ist.

§ 2 Einführung des Sicherheitskinefilms
(2) Kinefilmnegative und -positive dürfen nur vorgeführt, bearbeitet oder gelagert werden, wenn sie
    1. vollständig auf anerkanntem Sicherheitsfilm (§ 3) hergestellt sind und
    2. in vorgeschriebener Weise (§ 4) gekennzeichnet sind.

§ 3 Anerkennung
(1) Die Anerkennung als Sicherheitsfilm wird auf Grund einer Prüfung durch die Bundesanstalt für Materialprüfung von der nach Landesrecht zuständigen Behörde ausgesprochen.

§ 4 Kennzeichnung
(1) Sicherheitskinefilme müssen vom Rohfilmhersteller mit einer Kennzeichnung versehen werden, die auf dem entwickelten Film deutlich sichtbar ist und den Film eindeutig als Sicherheitskinefilm erkennen lässt.
(2) Der Bundesminister für Arbeit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern durch Rechtsverordnung zu bestimmen,
    1. in welcher Weise Sicherheitskinefilme zu kennzeichnen sind und
    2. dass für die Aufbewahrung und Beförderung von Kinefilmen nur gekennzeichnete Behälter verwendet werden dürfen und in welcher Weise diese Behälter gekennzeichnet sein müssen.

§ 5 Veränderungen von Sicherheitskinefilmen
Sicherheitskinefilme dürfen keiner Behandlung unterzogen werden, durch die sie die Eigenschaft verlieren, schwer entflammbar und schwer brennbar zu sein.

§ 7 Ausnahmen
Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können Ausnahmen von den Vorschriften des § 2 zulassen, wenn den Anforderungen genügt ist, die im Interesse des Arbeits»Schutzes bei der Herstellung von Kinefilmnegativen und -positiven auf Zellhornfilm (Nitrofilm) oder bei deren Vorführung, Bearbeitung oder Lagerung zu stellen sind.

§ 9 Straftaten
Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu zehntausend deutsche Mark wird bestraft, wer
    1. Kinefilmnegative oder -positive auf anderem Film als anerkanntem Sicherheitsfilm herstellt,
    2. Kinefilmnegative oder -positive, die nicht auf anerkanntem Sicherheitsfilm hergestellt sind, vorführt, bearbeitet oder lagert,
    3. Kinefilmnegative oder -positive einer nach § 5 unzulässigen Behandlung unterzieht.
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Münchhausen
Produktion: Ufa, Deutschland 1943
Verleih: Donau-Film-Gesellschaft, Verleih und Vertrieb
Regie: Josef von Baky
Drehbuch: Bertold Krüger (Erich Kästner)
Musik: Georg Haenschel
Kanera: Werner Krien
Trickaufnahmen: Konstantin Irmen-Tschet
Darsteller: Hans Albers; Brigitte Horney; Ilse Werner; Marianne Simson; Leo Slezak; Hermann Speelmanns; Wilhelm Bendow; Walter Lieck; Ferdinand Marian; Gustav Waldau; Eduard von Winterstein; Michael Bohnen; Hubert von Meyerinck; Hilde von Stolz; Franz Schafheitlin; Hans Brausewetter
Als die Ufa im Jahre 1943 ihr 25Jähriges Jubiläum feierte, wollte sie aus diesem Anlass einen Film produzieren, der nach Inhalt, Form und Publikumswirksamkeit dieses grossen Ereignisses vollauf würdig war. Man verfiel schliesslich auf die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen, einen Stoff, der allen diesen Anforderungen weitgehend entgegenkam. Sicherte er einerseits durch seine Popularität dem Produzenten tolle Kassen, so stellte er andererseits den Kameraleuten eine Fülle interessanter Aufgaben, an denen sich schon der Filmzauberer Georges Méliès (»Les Hallucinations du Baron Münchhausen«, 1911) dreissig Jahre früher versucht hatte. Dazu war es ein Stoff, der geradezu danach verlangte, die eben gewonnenen Farbfilmerfahrungen (»Frauen sind doch bessere Diplomaten«, »Die goldene Stadt«, »Das Bad auf der Tenne«) erfolgreich auszuwerten.
Die Hauptrolle bekam Hans Albers. Dies war man ihm und dem deutschen Publikum schuldig, denn er hatte in starkem Masse daran teilgenommen, den Stil des deutschen Unterhaltungsfilms von Format zu prägen. Als Autor für das Drehbuch hatte man Erich Kästner gewonnen, der unter einem Pseudonym schreiben musste, da er offiziell zum Schweigen verurteilt war. Als der Film herauskam, errang die Ufa einen ihrer grössten Erfolge. Die damalige Einmütigkeit der Kritik möchte man heute gern noch einmal erleben.
Dieser Film gehört in die Reihe jener Streifen, auf die man (leider) immer wieder zurückgreifen muss, will man einen guten deutschen Film zeigen.       - red -
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Uns kommt das alles spanisch vor
Produktion: UNINCI, Spanien 1952
Verleih: Pallas
Regie: Luis G. Berlanga
Drehbuch: Juan A. Bardem; Luis G. Berlanga; Miguel Mihura
Darsteller: Lolita Sevilla; Manolo Moran; José Isbert; Alberto Ronya; Elvira Quintilla; Luis Perez de Leon
»Uns kommt das alles spanisch vor« - - - uns auch, denn was soll 's! Diese geradezu infantile Titelmacherei der deutschen Verleiher ausländischer Filme ist schlechterdings nicht mehr zu überbieten. Wieviel klarer ist beispielsweise bei diesem Film für jeden - auch für den, der der spanischen Sprache nicht mächtig ist - der Originaltitel
»Bienvenido Mr. Marshall«
G. Marshall, US-Aussenminister unter Präsident Truman, legte am 5.6.1947 seinen Plan zur Schliessung der Dollarlücke in Europa und damit zum wirtschaftlichen Wiedererstarken dieses Erdteiles vor. Am 3. 4. 1948 trat der Plan in Kraft. Vor und nach jenem 3. April setzte nun ein allgemeiner Run auf die 14 Milliarden US-Dollar ein, die ausgeworfen wurden. Da war keiner, der nicht hoffte, sich aus dem fetten Kuchen auch ein Stück herausschneiden zu können.
Auch die Bewohner des kleinen kastilischen Dorfes »Villar del Rio« hegen Hoffnungen, Hoffnungen, die noch dazu nicht so unberechtigt waren, denn eine Auswahlkommission »geistert« schon durch die spanischen Lande - noch mehr allerdings durch die Köpfe der Bewohner von Villar. Der schwerhörige Bürgermeister und der Dorfpfarrer werden - gemeinsam mit ihren weltlichen und geistlichen Schäflein - zwischen Wach- und Wunschträumen hin und her gerissen. In diesen Szenen erinnert der Film mit dem ach so seltsamen deutschen Titel an die unvergessenen »Schönen der Nacht« von René Clair. Luis G. Berlanga ist hier ein kongenialer Regisseur, der von sehr guten Schauspielern (keinen Stars!) unterstützt wird. Lolita Sevilla ist eine rassige Sängerin unter südlichem Himmel, Manolo Moran der dazugehörige grosssprecherische Impresario, Luis Perez de Leon der stets wetternde Pfarrer, der sich im Zeichen des heraufdämmernden amerikanischen »Goldenen Westens« bereits vor einem Ku-Klux-Klan-Gericht sieht. Doch nicht nur der Mann im schwarzen Rock beweist eine überhitzte Phantasie. Während der Bürgermeister sich mit dem Posten eines Sheriffs begnügen würde, will der adelsstolze Hidalgo in Columbus' Fussstapfen die Neue Welt erobern.       Bk.

Luis G. Berlanga - ein junger Regisseur auf neuen Wegen

Berlanga wurde 1921 in Valencia geboren, studierte Philosophie und Literaturgeschichte und begann seine Filmlaufbahn als Kritiker und Begründer der spanischen Universitätsfilmelubs. Im Madrider Filminstitut erhielt er eine gründliche Ausbildung und schuf zusammen mit seinem Studienkollegen Juan Antonio Bardem seine ersten Filme. 1950 erhielt er den ersten Nationalpreis der spanischen Filmwirtschaft. Nachdem schon seine ersten Arbeiten in der Öffentlichkeit beachtet worden waren, gelang es ihm 1952 mit dem köstlichen Lustspiel »Uns kommt das alles spanisch vor« dem spanischen Film zum ersten Male internationale Geltung zu verschaffen.
Berlanga ist einer der interessantesten Regisseure der jungen spanischen Generation _... In seinen intelligent und einfallsreich gedrehten Filmen - und auch in seinem theoretischen Wirken als Professor des Madrider Filminstituts - strebt er eine grundsätzliche Erneuerung des spanischen Filmwesens an. Sein neuestes Werk »Calabuig« wurde 1956 gleichfalls international prämiiert. Er vertritt die Richtung eines kraftvollen, doch versöhnlichen Verismus voll Menschlichkeit und Humor, den ein Kritiker einmal als »spanischen Neo-Idealismus« bezeichnet hat.
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Liebe in der Stadt (Amore in citta)
Produktion: Faro-Film, Italien 1953
Verleih: Paris-Film-Verleih
Regie:
 Dino Risi (»Paradies für 4 Stunden«),
 Federico Fellini (»Im Heiratsvermittlungsbüro«)
 Cesare Zavattini (»Geschichte von Catarina«)
 Alberto Lattuada (»Die Männer drehen sich um«)
Drehbuch: Cesare Zavattini; Ghione; Ferreri; Corsi
Musik: Mario Nascimbene
Kamera: Gianni di Venanzio
Darsteller: Menschen von der Strasse
Dieser Film ist eine Art »Filmjournal«: Mehrere Regisseure behandeln das Thema der Liebe in der Grossstadt. Jeder auf seine ihm eigene Weise:
»Paradies für 4 Stunden« sind die Tanz- und Vergnügungsstätten einer grossen Stadt.
»Im Heiratsvermittlungsbüro« sucht ein junger Mann ein Mädchen und erzählt als Vorwand die Geschichte vom reichen, kranken Freund, der eine Frau sucht. Ein Mädchen wird ihm vorgestellt, das ein stilles Glück erhofft und dessen Aufrichtigkeit ihn beschämt.
Die »Geschichte von Catarina« erzählt von einer Frau, die ihr Kind aus Not und Hunger aussetzt und es dann ohne das Kind nicht mehr aushält. Sie versucht, es wiederzufinden.
»Die Männer drehen sich um«, wenn sie weibliche Schönheiten auf der Strasse sehen. So fängt die Kamera hier nur diese kurzen Impressionen des Strassenverkehrs ein.
Seit Beginn des Films hat es wie in jeder Kunstrichtung einen realistischen Stil gegeben. Schon der erste Film »Arbeiter verlassen die Fabrik« war dokumentarischer Art (vgl. unseren Artikel hierüber oben), und Griffith und Stroheim prägten den Realismus im »goldenen Zeitalter des amerikanischen Films« (1915-1925). Jean Vigo, der leider so früh verstorbene französische Avantgarderegisseur, drehte mit dem Kameramann Boris Kaufmann (der auch »Die Faust im Nacken« fotografierte) »A propos de Nice«, indem sie Leute am Strand von Nizza »in flagranti« filmten, ohne dass die Leute es merkten. In »Liebe in der Stadt« erreichte diese Stilrichtung einen Höhepunkt.       Z.
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Der Tag vor der Hochzeit
Produktion: Filmaufbau Göttingen, Deutschland 1952
Verleih: Bavaria-Filmverleih G. m. b. H., München
Regie u. Drehbuch: Rolf Thiele
Musik: Norbert Schultze
Darsteller: Paul Dahlke; Elisabeth Müller; Joachim Brennecke; Elisabeth Flickenschildt; Walter Giller; Wolfgang Lukschy; Günther Lüders
Laufzeit: 90 Minuten
»Lieschen Müller« ist nicht nur eine Erfindung kritikwütiger Rezensenten, sondern auch eine junge Filmschauspielerin. Schweizerin von Geburt, kam sie nach einigen kleinen Filmrollen nach Deutschland. Ihr erster deutscher Film
»Der Tag vor der Hochzeit«,
ein Film mit »Lieschen Müller« aber nicht für sie. - - Denn das breite Publikum konnte dieser Streifen nie erobern, und es wird ihm auch immer verschlossen bleiben. Der feine Humor, die rührende Milieuschilderung, die Menschencharakterisierung dieses Films sind etwas Seltenes in Deutschland. Rolf Thiele, der Regisseur, vermeidet Schwarz-Weiss-Malereien, über dem luftig-duftigen Geschehen lässt er immer einen Hauch bitter-süsser Wehmut schweben. Die Wehmut des Abschiedes von der Jugend, der Abschied an der Schwelle eines entscheidenden Lebensabschnittes, am »Tage vor der Hochzeit«. Welche Atmosphäre gelingt dem Regisseur beispielsweise in jener Szene, in der das junge Paar im Park seiner Bank ade sagt.
Für das Paar (Elisabeth Müller und Joachim Brennecke) ist all das so entscheidend, so wichtig. Nicht aber für den Brautvater, der hauptberuflich Bürgermeister der Stadt ist, in der der Bundespräsident sich zum Besuche angekündigt hat. Zwar wird im Film der Name des Präsidenten nicht genannt, aber jede neue Einstellung deutet darauf hin, dass Professor Heuss gemeint ist. Der Präsident tritt zwar nur als Schatten auf, aber wenn der schwarze Mercedes 300 durch die Strassen rollt und Gert Fröbe seine Rundfunkreportage vom Stapel lässt, dann vermeint man die uns allen vertraute, tiefe Stimme des Bundespräsidenten zu hören. Das ist wahre Filmkunst!
Rolf Thiele hat mit seinem Film aber auch ein Anliegen. Er kritisiert verschiedene Einrichtungen und Erscheinungen in der damals (1952) noch jungen Bundesrepublik. Doch nie wird er polemisch. Er karikiert die Wehrmacht - - aber sein ausgedienter Offizier ist liebenswert; farbentragende studentische Verbindungen lehnt er ab - - aber sein Student (Walter Giller) wirkt rührend und liebenswert in seiner Hilflosigkeit und besonders in seiner schüchternen Liebe zu Frau Wirtins Töchterlein; er wettert gegen die hektischen Rundfunkreporter, doch der von Gert Fröbe dargestellt (eine Paraderolle!) ist ebenfalls liebenswert. Wirklich - alles in allem, ein liebenswerter Film. Rolf Thiele ging mit dem Film mit dem Arbeitstitel »Der Präsident kommt« ins Atelier. Doch das gefiel dem Verleih nicht, und er »machte« »Der Tag vor der Hochzeit« daraus. Wie uns Hans Abich, der Produzent des Films, anlässlich eines Besuches im FILMSTUDIO erzählte, brachte auch dieser Titel nicht das erwartete Geschäft (im Gegenteil!). Nach Herrn Abichs Ansicht lag das daran, dass das Publikum das zu sehen hoffte, was besser unter dem Titel »Die Nacht nach der Hochzeit« firmieren würde.       Bk.
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Irgendwo in Europa (Ungarn)
Produktion: Mafyrt-Radványi, Ungarn 1947
Verleih: Transocean-Film KG
Buch und Regie: Béla Bálàsz und Géza von Radványi
Kamera: Barnabas Hegyi
Musik: Denes Buday
Darsteller: Arthur Somlay; Miclos Gabor
Der Film spielt in den letzten Tagen des Krieges und zeigt uns eine Welt, von der man heute nichts mehr wissen will, eine Welt, in der zu Waisen gewordene Kinder Räuber, Brandstifter und Mörder werden, gejagt vom Hunger und Selbsterhaltungstrieb. Wenn die Kinder sich begegnen, prügeln sie einander, - »sie lernen sich kennen« und ziehen gemeinsam weiter. Ein älterer Junge spielt den Anführer. Sie fallen auf Felder und in Bauernhöfe ein, stehlen Lebensmittel, während Polizisten und Bauern auf sie schiessen.
Die Kinder finden schliesslich eine Schlossruine und in ihr einen politisch verfemten Dirigenten, den sie fesseln und aufhängen wollen. Warum? Nur so zum Spass. So haben sie es gesehen, und so haben sie es gelernt. In der Nacht zerschneidet ein Kind die Fesseln des Erwachsenen. Doch dieser flieht nicht, sondern gewinnt in mühsamer Arbeit das Zutrauen der Kinder. Er ist es dann auch, der in der Gerichtsverhandlung die Anklage gegen die Erwachsenen erhebt.
Radványis Filmwerk benutzt stark veristische Elemente der italienischen Schule (der Film wurde zum Beispiel nur mit Laiendarstellern gedreht). Besonders im ersten Drittel zeigt er ausdrucksstarke Bilder.
Der Film kam erst 1951 nach Deutschland, wurde zuerst von der Freiwilligen Film-Selbstkontrolle in Wiesbaden-Biebrich nicht zugelassen und lief auch dann nur in Nachtvorstellungen und Matineen. Erst durch die Filmclubarbeit wurde er einem grösseren Kreise bekannt. Im normalen Kinoprogramm wurde er jedoch nie eingesetzt. Dies ist um so weniger zu verstehen, als der Film von Papst Pius XII., Harry S. Truman und dem französischen Staatspräsidenten Vincent Auriol empfohlen und von der Filmbewertungsstelle der Länder mit dem Prädikat »Wertvoll« ausgezeichnet wurde. - Oder sollte das der Grund sein?       Bl.
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Mädchen in Uniform
Produktion: Deutsche Film-Gemeinschaft GmbH, Deutschland 1931
Verleih: Albert Fidelius, Filmarchiv, Berlin W 35
Regie: Leontine Sagan, Carl Froelich
Drehbuch: Christa Winsloe; F.D. Andam nach dem Bühnenstück »Gestern und heute« von Christa Winsloe
Musik: Hansum Milde-Meissner
Kamera: Reimar Kuntze, Franz Weihmayr
Darsteller: Dorothea Wieck; Hertha Thiele; Ellen Schwanneke


Das heikle Problem der Liebe eines jungen Mädchens in einem Potsdamer Internat zu seiner Lehrerin, der Aufruhr gegen moralische Engherzigkeit sind in diesem Film psychologisch geschickt und mit grosser Schauspielkunst gestaltet. Sein Thema machte damals in Deutschland Furore. Heute erscheint es allerdings etwas überholt, und die Tatsache, dass ausgerechnet dieser Stoff zu einem Remake mit Romy Schneider verarbeitet wurde, lässt auf eine arge Verkennung unserer Wirklichkeit schliessen.       - red -

Ich bin gegen Remakes. Abgesehen davon, dass ich mir selbst einmal dabei die Finger verbrannt habe, kann man nur in seltenen Fällen einen Erfolg wiederholen. Ein Erfolg ist zeitgebunden und entsteht, wenn alle unmöglich vorauszusehenden Voraussetzungen plötzlich doch gegeben sind. Das einzige Rezept, um einen erfolgreichen Film zu machen, bleibt: Mit dem richtigen Stoff zum richtigen Zeitpunkt erscheinen.       Robert Siodmak
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Lohn der Angst (LE SALAIRE DE LA PEUR)
Produktion: Filmsonor - C. I. C. C. /Paris, Vera Film - Fono Roma, 1953
Regie: Henri-Georges Clouzot
Drehbuch: Henri-Georges Clouzot nach dem Roman von Georges Arnaud
Musik: Georges Auric
Kamera: Armand Thirard
Bauten: René Renoux
Darsteller: Yves Montand; Charles Vanel; Vera Clouzot; Folco Lulli; Peter van Eyck
Die Aussenaufnahmen zu diesem Film fanden in Nimes und Umgebung statt.
Henri-Georges Clouzot, der heute in Frankreich als der ausgesprochenste Vertreter des »film noir« gilt, hat als Drehbuchautor und Regisseur aus einem primitiven literarischen Vorwurf, dem in jeder Beziehung schwachen Roman »Le salaire de la peur« von Georges Arnaud, einen »künstlerischen Edelreisser« (Heinz J. Furian in »Cineaste«) höchster Vollendung geschaffen. Wir haben hier einen jener seltenen Falle, dass der Film wertvoller ist als die literarische Vorlage. Er erhielt den »GRAND PRIX« der Internationalen Filmfestspiele Cannes 1953.
Die Konstruktion, der dramaturgische Aufbau des Filmes, ignoriert die herkömmlichen Gesetze der Dramaturgie. Eine Tatsache, die immer wieder von französischen Kritikern bemängelt wurde. Der Film setzt sich aus zwei verschiedenartigen Teilen zusammen, die jedoch eng miteinander verknüpft sind: der breiten Exposition, die über ein Drittel des gesamten Filmes in Anspruch nimmt, und dem Hauptteil, der eigentlichen Handlung mit der Fahrt der Lastwagen.
Unter den Darstellern sind besonders Clouzots Frau Vera hervorzuheben, die der Mestizin Linda sensible und brutale Züge zugleich verleiht (Bild auf der gegenüber liegenden Seite), und Peter van Eyck. Während van Eyck in diesem französischen Film einen Deutschen spielt (Bild auf der letzten Umschlagseite), spielt er in dem deutschen Film »Das Mädchen Rosemarie« einen Franzosen!       - red -
Was die Leute im Kino suchen, ist der Ersatz für die Träume. Sie wollen ihre Phantasie mit Bildern füllen, starken Bildern, in denen sich Lebensessenz zusammenfasst; die gleichsam aus dem Innern des Schauenden gebildet sind und ihm an die Nieren gehen.       Hugo von Hofmannsthal aus »Der Ersatz für die Träume«, 1921
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Charlie Chaplin in Moderne Zeiten
Regieassistenten: Carter de Haven; Henry Bergman
Kamera: Rollie Totheroh; Ira Morgan
Musik: Charles Chaplin
Uraufführung: 1936
Ursprungsland: USA
Personen:
Ein Landstreicher: Charlie Chaplin
Ein Mädchen: Paulette Goddard
Ein Caféhaus-Besitzer: Henry Bergman
Ein Mechaniker: Chester Conklin
Die Einbrecher: Stanley Sandford; Hank Mann; Louis Natheux
Präsident eines Stahl-Trusts: Allen Garcia
Schon 1932 bis 1936 gedreht, kam dieser Film erst nach dem Kriege nach Deutschland. Chaplin erklärt darin der Automation, der Maschinisierung des Menschen, den Krieg. Wenn man »Moderne Zeiten« mit René Clairs »A nous la liberté« - der 1932 gedreht wurde - vergleicht, fällt auf, wieviel mehr menschliche Wärme Chaplins Film ausstrahlt. Das mag nicht zuletzt auf die Liebesgeschichte zurückzuführen sein. Der arme Charley strengt sich und seine Phantasie auch sehr an, seiner Liebe Ausdruck zu verleihen und dem mutlosen Waisenmädchen die Sorgen zu vertreiben.
Der eigentliche Kampf gegen die automatisierte Arbeit und gegen wildgewordene (Ess-) Maschinen nimmt nur einen kleinen Teil des Filmes ein; Hauptanliegen ist, den Menschen vor der Automation seiner selbst zu bewahren, die Mahnung an ihn, menschlich zu sein. Charley hilft dabei nur sein unbesiegbarer Optimismus, alle Widrigkeiten zu überwinden. In diesem Film erkennt man - wie kaum in einem anderen -, dass Chaplin im Grunde ein grosses Kind ist: an seinen Pantomimen in der Fabrik, seinem Rollschuhlaufen im Warenhaus oder den Szenen in der Holzhütte.       HBi

Charles Spencer Chaplin ist am 16. April 1889 in London geboren. Er nahm alle mögliehen Berufe an. Mit einer Varietégruppe kam er nach Amerika, trennte sich von ihr und wurde 1913 von Mack Sennett für den Film verpflichtet (Keystonefilme). 1915/16 arbeitete er bei der ESSANAY-FILM. Er inszenierte fast alle seine Filme von nun an selbst. 1916/17 ging er zur MUTUAL, Herbst 1917 zur FIRST NATIONAL. 1918 liess er sich in Hollywood ein eigenes Atelier bauen und gründete 1919 mit Mary Pickford, Douglas Fairbanks sen. und David Wark Grifflth die UNITED ARTISTS CORPORATION, bei der auch heute noch seine Filme herauskommen.
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Polizeirevier 21 (Zurück zum Artikel (Detective Story)
Produktion: Paramount, USA 1951
Verleih: Paramount Films of Germany, Inc., Frankfurt/Main
Regie: William Wyler
Drehbuch: Ph. Vordan und Robert Wyler nach dem Stück von S. Kingsley
Darsteller: Kirk Douglas; Eleanor Parker; Lee Grant; William Bendix
(Lee Grant wurde für ihre Darstellung der Warenhausdiebin mit dem Preis für die beste Darstellerin der Filmfestspiele 1952 in Cannes ausgezeichnet.)
Aus dem gleichnamigen Theaterstück von Sidney Kingsley wurde ein Film, der durch seine künstlerischen Qualitäten weit über die Durchschnittsproduktion derartiger Streifen hinausragt. Der Alltagsbetrieb eines Polizeireviers mit allem, was die Grossstadt in ihm anschwemmt, mit Menschlichkeit und Bosheit, Güte und Verbrechen, ist in einer Fülle frappierend echter Gestalten eingefangen.       - red -
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Berliner Ballade
Produktion: Comedia, Deutschland 1948
Verleih: Neue Filmkunst, Walter Kirchner, Import-Export
Regie: R.A.Stemmle
Drehbuch: Günter Neumann
Musik: Werner Eisbrenner; Günter Neumann
Kamera: Georg Krause
Bauten: Gabriel Pellon
Darsteller: Gert Fröbe; Aribert Wäscher; Tatjana Sais; Ute Sielisch; O.E. Hasse; Hans Deppe; Franz Otto Krüger; Karl Schönböck; Herbert Hübner
Laufzeit: 90 Minuten
An unangenehme Dinge erinnert man sich nicht gern - und jene Zeiten waren wirklich unangenehm, als jeder Deutsche 1500 Kalorien erhielt, als es entrahmte Frischmilch und Eipulver gab, als man in vollbesetzten Zügen aufs Land fuhr, wo der heute so jammernde Bauernstand sein Wirtschaftswunder antizipierte.
Einer der Millionen war »Otto Normalverbraucher«. Aus der Gefangenschaft war er in das aus Hunderten von Wunden blutende Berlin gekommen, die ehemalige Reichshauptstadt, die damals bereits in Ost und West geteilt war.
Günter Neumann, inzwischen auch zum Kabarett-»boss« avanciert, zeichnet für Musik und Drehbuch verantwortlich. Wie aktuell sind seine Ratschläge! Zum Beispiel der, wie man es anstellt, nicht »kv« [kriegsverwendungsfähig] geschrieben zu werden:
Eine geöffnete Dose Ölsardinen zwei Tage in die Sonne stellen, dann zusammen mit einer Tasse Bohnenkaffee, in der der Löffel steckenbleibt, zu sich nehmen und zehnmal vom Keller bis in den vierten Stock innerhalb einer Viertelstunde. Anschliessend gehe man zur Musterung. - - - Schon Ben Akiba sagte, dass alles wiederkommt. Wie recht er hatte!       Bk.
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An einem Tag wie jeder andere (DESPERATE HOURS) (Zurück zum Artikel
Produktion: Paramount, USA 1955
Verleih: Paramount Films of Germany, Inc., Frankfurt/Main
Regie: William Wyler
Darsteller: Humphrey Bogart; Frederic March; Martha Scott
Drei entsprungene Zuchthäusler dringen auf ihrer Flucht in die Vorortvilla einer Familie ein, um hier in aller Ruhe auf das Eintreffen einiger tausend Dollars zu warten, die sie nach dem letzten Raub bei einer Komplizin versteckt haben. Die Verbrecher zwingen alle Familienangehörige, wie bisher weiterzuleben, um den Eindruck zu erwecken, es sei nichts geschehen: Der Vater muss weiterhin morgens zur Stadt fahren, wo er als Personalchef eines Warenhauses beschäftigt ist, die Tochter muss ihn begleiten. Zurück bleiben als Geiseln die Mutter und der siebenjährige Sohn. Alle müssen aus Sorge um das Wohl der anderen mitspielen, bis schliesslich das Kollektiv der Eindringlinge zerfällt und die Familie, von der inzwischen informierten Polizei unterstützt, sich befreien kann.
Mit dieser handfesten Kriminalstory, die bereits als Buch, Theaterstück, Hörspiel und Fernsehsendung grosse Erfolge erzielte, wird durch einen herausgegriffenen Fall ein allgemeines Problem behandelt: Konflikt zwischen der bürgerlichen Ordnung und Gesetzlosen, Rechtsbrechern. Dieses alltägliche Problem erfährt seine Lösung - und das ist das Anliegen des Themas -, indem der Bürger nach anfänglichem schwächlichem Fügen in das Unvermeidlich-Erscheinende sich auf sich selbst besinnt und zur Verteidigung seiner Ordnung übergeht. Dadurch wird das auf Zwang und Gewalt beruhende Kollektiv der Verbrecher zerstört und der Angriff auf den Rechtsfrieden abgeschlagen, weil die rechtsstaatliche Gemeinschaft und ihre Bürger jedem auf Macht und Gewalt beruhenden System am Ende überlegen sind.
Neben der filmisch hervorragenden Anfangssequenz, in der die Verbrecher sich mit atembeklemmender Sicherheit des Hauses und der Familie bemächtigen, ist die Schlussszene besonders hervorzuheben:
»Im Licht der Polizeischeinwerfer geht der letzte Verbrecher seinem Tode entgegen, mit erhobenen Händen tastet er sich durch die absolute Stille und die fahle, wächserne Helligkeit einer Mondlandschaft, zerstört das Licht und wird im Dunkel von zahllosen Kugeln zerrissen.
Das Ende des Trio-Chefs ist der Höhepunkt Humphrey Bogarts, »The Desperate Hours« entschieden sein bester Film - überzeugender noch als sein Desperado im »Schatz der Sierra Madre«. Zynisch, gemein, sadistisch fegt er den "ewigen Handlungsreisenden" Frederic March hinweg, bei allen Unmenschlichkeiten, die ihm das Drehbuch diktiert, stellen wir bestürzt fest, dass er auch einen letzten Rest von Recht für sich beanspruchen darf und dass Frederic Marchs unverändert schmerzlich verzogenes Ohrfeigengesicht nicht nur Bogart in sinnlose Raserei versetzen kann. Unvergesslich, wie er den Familienvater zum Gnadenschuss überreden will und noch in der letzten, aussichtslosen Verzweiflung der Überlegene bleibt, und es ist unvergesslich, weil wir spüren: Hier überrundet der Darsteller Bogart die Absichten des Drehbuchs.« (film 56, Seite 152)       Re.

Der im Alter von 56 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere verstorbene Humphrey Bogart (1900-1957) wurde in New York geboren. Er schwankte zwischen den Berufen seiner Eltern: Arzt und Schauspielerin. In Hollywood begann er als Statist und entwickelte sich zu einem der bedeutendsten und vielseitigsten amerikanischen Filmdarsteller. Viele seiner Filme prägte er durch seine überragende schauspielerische Leistung. Ausser den bereits genannten Filmen erwähnen wir: »Sirocco«, » Schach dem Teufel«, »Die barfüssige Gräfin«, »Sabrina«, »Wir sind keine Engel« (vgl. nachfolgende Besprechung), »Tatort Springfield«, » Die Maske runter«, »Arzt im Zwielicht«, »Die Caine war ihr Schicksal«, »Schmutziger Lorbeer«, »African Queen«.
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WIR SIND KEINE ENGEL
Produktion: Paramount, USA 1955
Verleih: Paramount Films of Germany, Inc., Frankfurt a. M.
Regie: Michael Curtiz
Drehbuch: Ronald MacDougall nach dem Theaterstück von Albert Husson
Musik: Friedrich Holländer
Kamera: Loyal Griggs
Darsteller: Humphrey Bogart; Aldo Ray; Peter Ustinow; Joan Bennet; Basil Rathbone
Die amerikanische Filmgroteske zeitigt hin und wieder eigenartig schillernde Blüten. Neben Frank Capras »Arsenic and Old Lace« und Alfred Hitchcocks »Always Trouble With Harry« steht nun Michael Curtiz' »We Are No Angels«. Die Vorlage zu diesem frivolen Spass lieferte der Franzose Albert Husson mit seinem Stück »La cuisine des anges«. Ihren makabren Witz bezieht diese Geschichte aus der Umwertung moralischer und alltäglicher Begriffsvorstellungen. Wenn ausgebrochene Zuchthäusler, zwei Mörder und ein Dieb, plötzlich eine - wenn auch zweifelhafte - Rolle in einer bürgerlich-sittsamen Welt übernehmen, dann erhält diese absonderliche Tatsache ihre hintergründig lächelnde Unsinnigkeit eben durch die gebräuchliche Auffassung von dem, was Verbrecher eigentlich tun sollten.
Je weiter sich dabei der apostrophierte Tatbestand von den allgemeinen Überzeugungen, wie es in der Welt zugehen müsste, entfernt und die abstruse Handlungsweise als völlig natürlich hinstellt, desto grösser ist das Gaudi.
So etwas lässt sich zwei-, dreimal in grundsätzlichen Varianten durchführen, dann verblasst jedoch bald der Reiz des neuen Spiels, und es lebt mehr von der Situationskomik, die natürlich auch von dieser Umwertung lebt, aber in einer weit indirekteren Art und Weise, als aus einer verzärtelten, intellektualisierten Albernheit, die sich, ist das Thema in allen Punkten einmal angeschlagen, bald erschöpft.
»We Are No Angels« hat noch jenes begeisternde Moment des taufrischen närrischen Einfalls und präsentiert diesen Film mit geradezu blasphemischer Noblesse.       H.A.G.
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Verbotene Spiele
Produktion: Paul Joly, Frankreich 1952
Verleih: Deutsche Cosmopol Film GmbH
Regie: René Clément
Drehbuch: J. Aurenche; P. Bost; René Clément
Musik: Narcisso Ypes
Kamera: Robert Juillard
Darsteller: Georges Poujouly; Brigitte Fossey; Lucien Hubert; Suzanne Courtal; Jacques Marin; Laurence Badie
Der Film schildert das Schicksal eines Kindes während des Kriegsjahres 1940. Das Mädchen Paulette, das auf der Flucht auf einen Bauernhof verschlagen wird, und der scheue Knabe Michel kommen auf die Idee, auf dem Dorffriedhof Kreuze zu sammeln, um mit diesen ihren eigenen Friedhof, den sie hinter der alten Wassermühle angelegt haben, zu schmücken. Hier begraben sie heimlich ihre eigenen Toten: die Schnecken, den Hund, die Kücken, den Maulwurf, die entweder dem Krieg zum Opfer fielen oder die sie eigens töteten, um den Friedhof zu füllen.
Die Kinder treiben »Verbotene Spiele«, die den Erwachsenen erlaubt und als beiläufige Selbstverständlichkeit von der Hand gehen: Sterben und Begräbnis. Dadurch, dass diese »Spiele« in der Welt des Kindes stattfinden, zeigen sie erst ihre ganze Schrecklichkeit.
Die hart gezeichnete Geschichte von dem geheimen Spiel der beiden Kinder lässt keinen Augenblick auch nur einen Hauch von Sentimentalität aufkommen. Sogar der bittere Schluss, wenn Paulette, die der Fürsorge übergeben wird, unter den zahllosen Flüchtlingen den Namen Michel hört und mit verzweifelten Rufen durch den Klostersaal rennt, um ihren verlorenen Freund zu suchen - sogar dies ist trocken und sachlich aufgezeichnet und passt gerade deshalb so gut in unsere Zeit, in der kein noch so hartes Schicksal vereinzelt ist. Die kleine Paulette geht in der Menge unter, ihre Rufe verhallen, ohne dass jemand auf sie hört.       Bl.
René Clément wurde 1913 in Bordeaux geboren. Er begann als Dokumentarfilmschöpfer. Seine bedeutendsten Filme sind:
1943: »La grande pastorale«,
1946: »La bataille du rail«,
1948: »Tre giorni d' amore«,
1949: »Au-delà des grilles«,
1950: »Le chateau de verre«.
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Belvedere räumt auf (Sitting Pretty)
Produktion: 20th Century-Fox-Film, USA 1948
Regie: Walter Lang
Drehbuch: F. Hugh Herbert nach einem Roman von G. Davenport
Musik: Alfred Newman
Kamera: Norbert Brodine, A. S. C.
Darsteller: Robert Young; Maureen O'Hara; Clifton Webb
Maureen O'Hara, mit bürgerlichem Namen Maureen Fitzsimmons, ist gebürtige Irin und kam über die Dubliner Theaterschule 1938 zum Film. Ihr Entdecker war kein geringerer als Charles Laughton. In den vergangenen 20 Jahren hat sie eine Unzahl Filme gedreht. Viele sind schon wieder vergessen, aber vier Filme sind es, die so schnell nicht in Vergessenheit geraten werden: zwei ernste und zwei heitere. Die beiden ernsten sind »The Hunchback of Notre Dame«, in dem sie die Zigeunerin Esmeralda spielt, die in der Neuverfilmung von Gina Lollobrigida dargestellt wird, und »How Green Was My Valley«, jenes grandiose Filmwerk von John Ford, das mit 6 Akademiepreisen ausgezeichnet wurde. Die heiteren Filme sind die entzückende Geschichte von Kris Kringle (man beachte die Lautmalerei), der als Weihnachtsmann von New York auftritt: »Miracle on 34th Street« und »Sitting Pretty« von Walter Lang, zu deutsch
»Belvedere räumt auf«.
Belvedere ist Babysitter der Familie King in Hummingbird Hill. Das wäre an sich nichts Ungewöhnliches, wenn Belvedere nicht männlichen Geschlechts, Anfang fünfzig und sehr klug wäre. Wie Harry und Tacey King zu diesem »Kindermädchen« kamen, wissen sie selbst nicht zu sagen. In der Not (sprich: drei Kinder im Haus, eins unterwegs!) nimmt man mit allem vorlieb. Eigentlich können sich die Kings auch gar nicht beklagen, denn Belvedere ist ein vorzüglicher Hausgeist. Die Kinder sind plötzlich nicht mehr wiederzuerkennen. Ja, alles wäre gut, wenn man wüsste, was Belvedere nach Feierabend, wenn seine Zöglinge schlafen, hinter verschlossenen Türen tut Wie gesagt Belvedere ist sehr klug. Vielleicht zu klug für einen Ort wie Hummingbird Hill, in denen solche » Klatschbasen« wie Mr. Appleton wohnen. Doch »Belvedere räumt auf«! Sein Besen jedoch ist kein eiserner, es ist der des Geistes - und der wurde bislang in Hummingbird Hill klein geschrieben.       Bk.
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Raices
Produktion: Tele-Producciones S. A., Mexico 1955
Verleih: Pallas-Film-Verleih G.m.b.H.
Regie: Benito Alazraki
Drehbuch: nach Erzählungen von Francisco Rojas Gonzales
Musik: Guillermo Noriego; Rodolfo Halfter; Blas Galindo
Kamera: Walter Reuter; Hans Beumler
Darsteller: Beatriz Flores; Juan de la Cruz; Antonia Hernandez; Alicia del Lago; Carlos Robles Gil
»Raices« - ein mexikanischer Omnibusfilm, ein Episodenfilm. »Raices« heisst »Wurzeln«. Es sind die Wurzeln, die allenthalben in Mexiko noch fühlbar sind, sowohl wenn die Eingeborenen unter sich sind, als auch wenn sie mit den neuen Herren des Landes zusammenprallen (namentlich in der 1. und 4. Episode); denn eine jahrhundertealte Aztekenkultur lässt sich nicht einfach auslöschen - auch nicht, wenn ihre Hauptträger nicht mehr leben. Die »Wurzeln« konnte das Christentum nicht tilgen (warum auch?), und so erscheint es als der Mantel, den man über das Land und seine Bewohner gelegt hat, gewollt und ungewollt alles Ursprüngliche verdeckend. Sind diese Eingeborenen, die sich in armseligen Strohhütten von der Milch einer einzigen Ziege nähren, die auf eine einfältige Art und Weise Gott verehren, indem sie Heidentum, Aberglauben und Christentum zu einer Religion vermengen, nicht wesentlich besser als jene »wahren« Christen, die noch nicht einmal den kategorischen Imperativ befolgen? Am stärksten hierzu die Szene, wo der alte Indiovater der 4. Episode auf dem Jahrmarkt dem Weissen ein »Geschäft« anträgt.
Überhaupt überzeugt die 4. Episode am meisten. Sie vermeidet jede Schwarz-Weiss-Malerei, wie sie zum Beispiel die 1. Episode etwas aufweist. Das Verlangen des weissen Mannes wird nicht als Faktum gesetzt, sondern folgerichtig aus dem mörderischen Klima heraus erklärt, dem der Weisse zehn Jahre lang ausgesetzt und nicht gewachsen war. Dramatik ist hier mit Bildern von eigenartiger Schönheit gepaart, wenn das junge Mädchen über das Ruinenfeld der einst prunkvollen Bauten seiner Ahnen jagt, geschmeidig wie eine Katze. In diesen Szenen erinnert der Film an den deutschen Streifen »Geliebter Pferdeschwanz«. Hier wie dort der Wunsch des älteren Mannes nach dem unberührten Mädchen. Allerdings erscheint uns der mexikanische Film atmosphärisch dichter als der deutsche. Dies mag nicht zuletzt an der Lösung des Problems liegen, die der deutsche Film nur im Tode sieht, während es bei dem mexikanischen Film der ganzen Konzeption nach diese Lösung nicht geben darf, denn hier ist der Versöhnungsgedanke des Christentums bereits weiter vorgedrungen. Da ist es kein Mantel mehr.
Am schwächsten ist die 2. Episode, die Episode von der Namensgebung. Einmal liegt der Gag - sofern man hier von einem Gag sprechen kann - mehr im Sprachlichen, zum anderen hat diese Episode die allgemeingültige Ebene bereits verlassen. Sie kann den europäischen Betrachter nicht fesseln.
Bliebe die 3. Episode, die Episode des Blinden. Sie ist packend gestaltet, vor allem in den Feuerwerksszenen, offensichtlich aber dramaturgisch falsch aufgebaut. Der Betrachter kennt schon zehn Minuten vor Schluss die Lösung des Problems bzw. kann sie sich denken. Schade!       Bk.
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Liebenswerte Frauen
Produktion: Roitfeld-Sirius, Frankreich 1952
Verleih: Bavaria-Filmverleih, G. m. b. H., München
Regie: Christian Jacques
Kamera: Christian Mairas
Darsteller: Danielle Darrieux; Edwige Feuillère; Renée Faure; Antonella Lualdi; Martine Carol; Daniel Gélin
Es ist natürlich eine Frage, ob Frauen »liebenswert« sind. Hier scheint es nicht ganz so. Aber wenn man jung ist, wie Daniel Gélin, findet man sie alle so bezaubernd, dass man ihre Fehler vergisst - für eine Weile. Drei dieser »Weilen« hat uns Christian Jacques gezeigt: Die erste hatte schon einen Mann, die zweite brauchte zuviel Geld, die dritte war zu alt, und da der »Held« den ganzen Film über den festen Willen hatte zu heiraten, tröstet er sich schliesslich mit einem jungen Mädchen, das ihm verspricht, keine langweilige Ehepartnerin zu sein, und es ihm schon auf dem Heimweg von der Kirche zeigt.
Nein, liebenswert sind die Frauen in diesem Film wahrlich nicht, es ist nur die Frage, ob Christian Jacques während seiner Verlobungszeit mit Martine Carol gewisse »Rachegefühle« abreagieren wollte oder ob er den liebenswerten Frauen der anderen Filme ein Gegengewicht schaffen wollte. Er hat die Geschichte jedenfalls amüsant in Szene gesetzt.       HBi

Christian Jacques alias Christian Maudet, geboren 1904 in Paris. Er drehte schon vor dem zweiten Weltkriege einige unbedeutende Filme. Sein erster Erfolg war »Die Verschwundenen von St. Agil« (1937). Nach der Besetzung Frankreichs, als viele der alten Regisseure (René Clair, Jean Renoir) ins Ausland gingen, war er mit »Mord am Weihnachtsabend« (1941) einer der ersten, die wieder neu begannen. »Es geschah in Paris« (1950) und »Fanfan der Husar« (1951) waren Filme, die das FILMSTUDIO schon von ihm zeigte.
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Gaunerkavaliere
Produktion: Franco-Lpndon, Frankreich 1956
Regie: Carlo Rim
Darsteller s.u.
103 Jahre alt ist der alte ehrliche Gauner Amédée heute geworden. Nicht nur die Herren Minister, auch zwei Abgeordnete der Landstreicherverbände sind zur Gratulation erschienen. Und nun heisst es auf das arbeitssame Leben eines Taschendiebes Rückschau zu halten. - "Gaunerkavaliere", ein tolldreister Film aus Paris um Gauner, Diebe und andere Galgenvögel, zeigt Eddie Constantine, Yves Robert, Jean Richard und Noel-Noel in den Hauptrollen.
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Ein Mädchen aus Flandern
Produktion: Capitol-Film, Deutschland 1956
Verleih: Prisma-Verleih
Regie: Helmut Käutner
Drehbuch: Heinz Pauck, Helmut Käutner
Musik: Bernhard Eichhorn
Kamera: Friedel Behn-Grund
Darsteller: Nicole Berger; Maximilian Schell; Victor de Kowa; Friedrich Domin; Anneliese Römer; Erica Balque; Fritz Tillmann; Lise Coliny; Nelly Beguin; Jane Brissac; Guillaume Lambrette; Omer Ducarme
»Ein Mädchen aus Flandern« - einer jener Filme, mit denen Helmut Käutner seinen inzwischen immer zahlreicher gewordenen Kritikern bewies, dass er mehr kann als »Weisse Schatten« drehen (vgl. unser Artikel »Zur Problematik sozialproblematischer Zille-Filme«). Der Stoff stammt wie der seines - berühmteren - Films »Der Hauptmann von Köpenick« von Carl Zuckmayer.
Aber während im »Hauptmann von Köpenick« die »Tat« des Schuhmachers Voigt im Vordergrunde steht, ist es hier weniger das Geschehen als das, was das Geschehen aus den Menschen machte; wie sie von den Kriegswirren gepackt werden und keine Ruhe mehr finden.
Käutner greift den Krieg als solchen an - und er tut es objektiv. Er zeigt sowohl, wie das Engele von den deutschen »Kettenhunden« nach der Scheunenexplosion abgeführt wird als auch, wie ihr von ihren belgischen Landsleuten wegen angeblicher Kollaboration der Kopf geschoren wird.
Belgien - Flandern - Loewen - Molenkerk im ersten Weltkrieg. Langemarck, eine der sinnlosesten Schlachten der Weltgeschichte ist vorbei. Tausende sind für eine fixe Idee eines weit vom Schuss sitzenden Generalstabes gefallen. Es sind zu wenige, die zurückkamen, als dass sie alleine vermocht hätten, das Gewissen zu wecken. Alexander Haller ist einer von ihnen eines Kommandierenden Generals. Doch wer kann sagen dass Alexanders Kriegshass in jenen Stunden von Langemarck geboren wurde - steht er nicht vielleicht auf der Gegenseite, weil ihm das »Engele von Loewen« begegnet ist die kleine Angeline Meunier? Mitten im Krieg haben sie sich gefunden - über den Hass und Hader ihrer Völker hinweg. Der Krieg scheint stärker zu sein als die Liebe Engele kommt in ein Straflager und erhält den gelben Pass, während Alexander von seinem eigenen Vater zur Front beordert wird, als diese schon zusammenbricht.
Alexander muss in die Gefangenschaft, der Krieg ist vorbei - doch die Liebe nie Weltkrieg - Weltwahnsinn!       Bk.
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Perlen der Filmkunst

»Das Kabinett des Dr. Caligari«, 1958 von einer internationalen Jury in Brüssel unter die zwölf besten Filme eingereiht, die jemals gedreht wurden, kann als das Schlüsselwerk des expressionistischen deutschen Films der zwanziger Jahre gelten.
Wir zeigen ferner im Rahmen unserer Reihe »Perlen der Filmkunst«:

Louisianalegende: Regie: Robert Flaherty, 1948

Aufstand der Tiere: Halas und Batchelor nach George Orwell

Dirnentragödie: Regie: Bruno Rahn, 1927; Darsteller: Asta Nielsen; Oskar Homolka.

Die freudlose Gasse: Regie: G. W. Pabst, 1925; Darsteller: Asta Nielsen; Greta Garbo; Werner Krauss; Valeska Gert; Agnes Esterhazy

Sylvester: Regie: Lupu Pick, 1924; Buch: Karl Mayer; Darsteller: Eugen Klöpfer; Edith Posca; Frieda Richard

Mädchen ohne Vaterland: Regie: Urban Gad; Darsteller: Asta Nielsen

Krach um Jolanthe (1934): Regie: Carl Froelich; Buch: Stemmle, Supper; Musik: Milde-Meissner; W. Richartz; Darsteller: Wilhelm Krüger; Marianne Hoppe; Carsta Lock; Albert Lieven; Karl Dannemann; Willi Schur; Fita Benkhoff

In den gezeigten älteren Filmen erscheinen oft Darsteller, die nicht mehr unter den Lebenden weilen. Wir haben eine Verlustliste deutscher Filmlieblinge zusammengestellt.
Als Soldaten fielen: Hannes Stelzer; Klaus-Detlev Sierck; Aribert Mog und Hans-Adalbert von Schlettow. Der Henker tötete: Robert Dorsay; Helmut Kionka und Hanne Mertens. In den Gaskammern gingen zugrunde: Otto Wallburg; Max Ehrlich; Kurt Gerron; Fritz Grünbaum; Kurt Lilien und Paul Morgen. Joachim Gottschalk verübte mit seiner jüdischen Frau Selbstmord. Lizzi Waldmüller wurde beim Kampf um Wien getötet. Maria Bard; Agnes Straub; Rotraut Richter; Leo Slezak und Max Gülstorff starben eines natürlichen Todes. Conrad Veidt; Paul Graetz und Alexander Granach fanden in der Emigration ihr Ende.
Ralph-Arthur Roberts starb 1940 an Herzschlag. Hans Brausewetter wurde kurz vor dem Fall Berlins bei einem Luftangriff verletzt. Einige Tage später brach er dann im Luftschutzkeller tot zusammen. Harry Liedtke kam mit seiner Gattin Dr. Christa Tordy in seiner Berliner Villa ums Leben. Georg Alexander starb im Oktober 1946; nachdem er in den ersten Monaten der Nachkriegszeit noch Intendant des Potsdamer Schauspielhauses und Bürgermeister in Neufahrland gewesen ist. Heinrich George wurde in einem russischen Internierungslager 1947 vom Tode ereilt.
Gustav Diessl erlag in Wien einem Herzschlag, während Paul Wegener in Berlin für immer von seinem Publikum ging.       - red -

[Ergänzung: Franz Hofer wurde am 5.5.1945 tot auf der Strasse gefunden.]
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Das Kabinett des Dr. Caligari
Produktion: Decla-Film, 1919
Regie: Dr. Robert Wiene
Buch: Hans Janowitz; Karl Mayer
Bauten: Hermann Warm; Walter Röhrig; Walter Reimann
Darsteller: Werner Krauss; Conrad Veidt; Friedrich Feher; Hans Heinz von Twardowski; Lil Dagover
INHALT: In einem kleinen deutschen Städtchen ist Jahrmarkt. Unter den Schaustellern, die sich im Rathaus um die Marktlizenz bewerben, befindet sich auch Dr. Caligari, der den Schlafwandler Cesare als Attraktion anzubieten hat. Der Beamte, der die Lizenzen zu verteilen hat, wird am nächsten Morgen ermordet aufgefunden.
Der Jahrmarkt hat begonnen, und unter den Schaulustigen befinden sich auch Francis und Alan, zwei Studenten, die beide in die Arzttochter Jane verliebt, sind. Als Dr. Caligari behauptet, sein Schlafwandler könne in die Zukunft sehen, will Alan wissen, wie lange er noch zu leben habe. » Bis zum Morgengrauen«, ist die Antwort - und am nächsten Morgen wird Alan ermordet aufgefunden, ebenso umgebracht wie jener Beamte vom Rathaus. Francis, dem anderen Studenten, gelingt es, einen Haussuchungsbefehl gegen Dr. Caligari zu erwirken, und geht mit Janes Vater in den Wohnwagen des Schaustellers. Als sie gerade im Begriff sind, den Schlafwandler aus seiner Trance zu erwecken, werden sie zur Polizeiwache zurückgerufen, wo ein Massenmörder gerade eingeliefert wurde, der der Mörder Alans sein könnte. Der Mörder streitet aber diesen Fall entschieden ab.
Francis spürt auf eigene Faust Dr. Caligari weiter nach. Seine Annahme, Cesare liege wie immer in seiner Kiste, stimmt aber nicht. Der Schlafwandler bricht währenddessen in das Arzthaus ein und will Jane ermorden. Als er die Schlafende sieht, wirft er seinen Dolch weg, ergreift Jane und flieht mit ihr. Janes Vater jedoch war auf der Hut und verfolgt Cesare. Der Schlafwandler lässt daraufhin von Jane ab und flüchtet alleine, ist aber am Ende seiner Kräfte. An Erschöpfung stirbt er. Jane behauptet im polizeilichen Verhör, von Cesare entführt worden zu sein, was Francis nicht glaubt. Trotzdem wird bei Dr. Caligari eine Haussuchung gemacht, bei der die Kiste des Schlafwandlers beschlagnahmt wird. In ihr befindet sich nur eine Wachspuppe. - Caligari gelingt die Flucht in eine Irrenanstalt.
Als Francis sich über die Irrenanstalt erkundigen will, muss er feststellen, dass Dr. Caligari dort Chefarzt ist. Daraufhin weiht Francis drei Anstaltsärzte in das Vorgefallene ein und durchsucht mit ihnen das Zimmer des Chefarztes. Die vier finden Aufzeichnungen über einen Vorfall aus dem 18. Jahrhundert in Oberitalien. Dort bereiste ein Schausteller mit Namen Caligari die Lande, der einen Schlafwandler Cesare auf hypnotischem Wege zwang, Morde zu begehen. Um die Polizei auf eine falsche Fährte zu führen, lag in Cesares Kiste häufig eine Wachspuppe.
Jetzt wird klar, dass der Chefarzt, als ihm ein Schlafwandler eingeliefert ivurde, diese Angaben nachprüfen wollte und darüber zum Verbrecher wurde. Um auch noch den letzten Beweis zu erhalten, zeigt Francis dem Arzt die Leiche des Schlafwandlers. Darauf beginnt der Chefarzt, alias Dr. Caligari, derart zu toben, dass die Wärter ihn in eine Zwangsjacke stecken müssen.       Bk.
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