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Quellen zur Filmgeschichte ab 1920

Texte der Hefte des studentischen Filmclubs der Uni Frankfurt/Main: Filmstudio

Einführungsseite

Filmstudio Heft 35, Mai-Juli 1962

Inhalt
Editorial
Georg Lukacs zu einer Aesthetik des Kinos 1913
Der Weg ins Engagement? Der junge deutsche Film
Die Notwendigkeit der Satire
Portrait: John Cassavetes
Grosspapas Volkskino. Anthologie feiner Reden
Warten auf Godard
Der Western
Institution und Institutionelles
Der Ersatz für die Träume
Anmerkungen
Rückumschlag
Lohn der Angst (Le salaire de la peur)
Ausser Atem (A bout de souffle)
Der Hauptmann von Köpenick
Ein Herz und eine Krone (Roman Holiday)
Das Loch (Le trou)
Der Florentiner Hut
M
Mein Onkel (Mon oncle)
12 Uhr mittags (High Noon)
Das letzte Wochenende (And Then There Were None)
Helden
Unser Mann in Havanna (Our Man in Havana)
Im Mantel der Nacht (Le desordre et la nuit)
Das Lächeln einer Sommernacht (Sommarnattens leende)


Editorial

Das Kino lebt, auch Papas Kino. Der Freudentanz um den Sarkophag des vermeintlich Abgeschiedenen trug eher die Physiognomie einer müden Orgie denn die der Rechtschaffenheit, die sich unter Bewusstwerdung aller Möglichkeiten der Freude unterzieht. Der Schlachtruf, um den man sich in Oberhausen zusammengedrängt hatte, das Manifest der jungen Amerikaner, der Cassavetes, Mekas, Bert Stern und anderer, und die Existenz dessen, was man hierzulande als Nouvelle Vague bereits in den Spalten unserer Journale totgeprügelt zu haben glaubte, all dies beweist nicht den Tod, sondern setzt die Zeichen einer Metamorphose so augenscheinlich ins Bewusstsein der Schöpfer und der Betrachter, dass der der Objektivität Verpflichtete nicht anders kann, als ein Weiterleben des Films zu konstatieren.

Der fruchtbaren Ansätze sind viele. Wir haben uns mit der Herausgabe dieses Heftes bemüht, ihnen wenigstens zum Teil gerecht zu werden. Der Beitrag über den jungen deutschen Film soll endlich darüber informieren, wie es in der Bundesrepublik um den neuen Film bestellt ist. Ihm setzen wir Portraits zweier Exponenten des jungen amerikanischen und des jungen französischen Films gegenüber, Antipoden, die eine Abgrenzung ermöglichen.

Die Diskussion über den satirischen Film, die sich in der Redaktion nach der intensiven Beschäftigung mit Eisensteins "Oktober" entsponnen hatte, fand in der Abhandlung von Peter H. Schröder nicht ihren Niederschlag. Der Gesamtheit dieses Heftes stellen wir einen Aufsatz von Georg Lukàcs voran, der, obwohl 1913 veröffentlicht, der Frage nach einer neuen Ästhetik des Films das Ziel zu geben scheint.

Wir werden unsere Bemühungen, aus diesem Heft den Reflektor unserer Intensionen zu machen, die nicht darin bestehen können, rezeptiv das Phänomen Film zu erfassen, sondern extensiv innerhalb unserer Möglichkeiten tätig zu sein, mit der kommenden Ausgabe des FILMSTUDIOS (36) fortsetzen, die u. a. einen Beitrag über den jungen amerikanischen Film, eine Auseinandersetzung mit der konventionellen und der sogenannten "neuen linken" Kritik und einen Beitrag zur Problematik der Filmanalyse enthalten wird.       WV

Georg Lukacs zu einer Aesthetik des Kinos 1913 (Zurück zu Heft 36)   (Zurück zu Heft 38)

Wir kommen aus dem Zustand der Begriffsverwirrungen nie heraus: etwas Neues und Schönes ist in unseren Tagen entstanden, doch statt es so zu nehmen, wie es ist, will man es mit allen möglichen Mitteln in alte, unpassende Kategorien einordnen, es seines wahren Sinnes und Wertes entkleiden. Man fasst heute das "Kino" bald als Instrument eines anschaulichen Unterrichts auf, bald als eine neue und billige Konkurrenz der Theater; einerseits also pädagogisch, andererseits ökonomisch. Dass aber eine neue Schönheit eben eine Schönheit ist, dass ihr Bestimmen und Bewerten der Ästhetik zukommt, daran denken heute nur die wenigsten.

Ein bekannter Dramatiker phantasierte gelegentlich darüber, dass das "Kino" (durch Vervollkommnung der Technik, durch vollendete Reproduzierbarkeit der Rede) das Theater ersetzen könnte. Wenn dies gelingt - meint er - gibt es kein unvollkommenes Ensemble mehr: das Theater ist nicht mehr an die örtliche Zerstreuung der guten schauspielerischen Kräfte gebunden; nur die besten Schauspieler werden in den Stücken spielen, und sie werden nur gut spielen, denn von Aufführungen, in denen jemand indisponiert ist, macht man eben keine Aufnahmen. Die gute Aufführung wird aber etwas Ewiges; das Theater verliert alles bloss Momentane, es wird zu einem grossen Museum aller wirklich vollendeten Leistungen.

Dieser schöne Traum ist aber ein grosser Irrtum. Er übersieht die Grundbedingung aller Bühnenwirkungen: die Wirkung des tatsächlich daseienden Menschen. Denn nicht in den Worten und Gebärden der Schauspieler oder in den Geschehnissen des Dramas liegt die Wurzel der Theatereffekte, sondern in der Macht, mit der ein Mensch, der lebendige Wille eines lebendigen Menschen, unvermittelt und ohne hemmende Leitung auf eine geradeso lebendige Menge ausströmt. Die Bühne ist absolute Gegenwart. Die Vergänglichkeit ihrer Leistung ist keine beklagenswerte Schwäche, sie ist vielmehr eine produktive Grenze: sie ist das notwendige Korrelat und der sinnfällige Ausdruck des Schicksalhaften im Drama. Denn das Schicksal ist das Gegenwärtige an sich. Die Vergangenheit ist bloss Gerüst, im metaphysischen Sinne etwas völlig Zweckloses. (Wenn eine reine Metaphysik des Dramas möglich wäre, eine, die keiner bloss ästhetischen Kategorie mehr bedürfe, so würde sie Begriffe wie "Exposition", "Entwicklung" usw. nicht mehr kennen.) Und eine Zukunft ist für das Schicksal ganz irreal und bedeutungslos: der Tod, der die Tragödien abschliesst, ist das überzeugende Symbol hierfür. Durch das Dargestelltwerden des Dramas bekommt dieses metaphysische Gefühl eine grosse Steigerung ins Unmittelbare und Sinnfällige: aus der tiefsten Wahrheit vom Menschen und seiner Stellung im Kosmos wird eine selbstverständliche Wirklichkeit. Die "Gegenwart", das Dasein des Schauspielers, ist der sinnfälligste und darum tiefste Ausdruck für das vom Schicksal Geweihte der Menschen des Dramas. Denn gegenwärtig sein, das heisst wirklich, ausschliesslich und aufs intensivste leben, ist schon an und für sich Schicksal - nur erreicht das sogenannte "Leben" nie eine solche Lebensintensität, die alles in die Sphäre des Schicksals heraufheben könnte. Darum ist das blosse Erscheinen eines wirklich bedeutenden Schauspielers auf der Bühne (der Duse etwa) selbst ohne grosses Drama schon vom Schicksal geweiht, schon Tragöde, Mysterium, Gottesdienst. Die Duse ist der völlig gegenwärtige Mensch, bei dem nach Dantes Worten das "essere" mit der "operazione" identisch ist. Die Duse ist die Melodie der Schicksalsmusik, die klingen muss, wie immer es auch um die Begleitung stehe.

Das Fehlen dieser "Gegenwart" ist das wesentliche Kennzeichen des "Kino". Nicht weil die Filme unvollkommen sind, nicht weil die Gestalten sich heute noch stumm bewegen müssen, sondern weil sie eben nur Bewegungen und Taten von Menschen sind, aber keine Menschen. Dies ist kein Mangel des "Kino", es ist seine Grenze, sein principium stilisationis. Dadurch werden die unheimlich lebensechten, nicht nur in ihrer Technik, sondern auch in ihrer Wirkung der Natur wesensgleichen Bilder des "Kino" keinesfalls weniger organisch und lebendig, wie die der Bühne, sie erhalten nur ein Leben von völlig anderer Art; sie werden - mit einem Wort - phantastisch. Das Phantastische ist aber kein Gegensatz des lebendigen Lebens, es ist nur ein neuer Aspekt von ihm: ein Leben ohne Gegenwärtigkeit, ein Leben ohne Schicksal, ohne Gründe, ohne Motive; ein Leben, mit dem das Innerste unserer Seele nie identisch werden will, noch kann; und wenn es sich auch - oft - nach diesem Leben sehnt, so ist diese Sehnsucht nur die nach einem fremden Abgrund, nach etwas Fernem, innerlich Distanziertem. Die Welt des "Kino" ist ein Leben ohne Hintergrund und Perspektive, ohne Unterschied der Gewichte und der Qualitäten. Denn nur die Gegenwärtigkeit gibt den Dingen Schicksal und Schwere, Licht und Leichtigkeit: es ist ein Leben ohne Mass und Ordnung, ohne Wesen und Wert; ein Leben ohne Seele, aus reiner Oberfläche.

Die Zeitlichkeit der Bühne, der Fluss der Ereignisse auf ihr ist immer etwas Paradoxes: es ist die Zeitlichkeit und der Fluss der grossen Momente, etwas innerlich tief Ruhiges, beinahe Erstarrtes, ewig Gewordenes, gerade infolge der quälend starken "Gegenwart". Zeitlichkeit und Fluss des "Kino" sind aber ganz rein und ungetrübt: das Wesen des "Kino" ist die Bewegung an sich, die ewige Veränderlichkeit, der nie ruhende Wechsel der Dinge. Diesen verschiedenen Zeitbegriffen entsprechen die verschiedenen Grundprinzipien der Komposition auf Bühne und "Kino": das eine ist rein metaphysisch, alles empirisch Lebendige von sich fernhaltend, das andere so stark, so ausschliesslich empirischlebenhaft, unmetaphysisch, dass durch diese seine äusserste Zuspitzung doch wieder eine andere, völlig verschiedene Metaphysik entsteht. Mit einem Worte: das Grundgesetz der Verknüpfung für Bühne und Schauspiel ist die unerbittliche Notwendigkeit, für das "Kino" die von nichts beschränkte Möglichkeit. Die einzelnen Momente, deren Ineinanderfliessen die zeitliche Folge der "Kino"-Szenen zustande bringt, sind nur dadurch miteinander verbunden, dass sie unmittelbar und überganglos aufeinanderfolgen. Es gibt keine Kausalität, die sie miteinander verbinden würde; oder genauer: ihre Kausalität ist von keiner Inhaltlichkeit gehemmt oder gebunden. "Alles ist möglich": das ist die Weltanschauung des "Kino", und weil seine Technik in jedem einzelnen Moment die absolute (wenn auch nur empirische) Wirklichkeit dieses Moments ausdrückt, wird das Gelten der "Möglichkeit" als einer der "Wirklichkeit" entgegengesetzten Kategorie aufgehoben; die beiden Kategorien werden einander gleichgesetzt, sie werden zu einer Identität. "Alles ist wahr und -wirklich, alles ist gleich wahr und gleich wirklich": das lehren die Bilderfolgen des "Kino".

So entsteht im "Kino" eine neue, homogene und harmonische, einheitliche und abwechslungsreiche Welt, der in den Welten der Dichtkunst und des Lebens ungefähr das Märchen und der Traum entsprechen: grösste Lebendigkeit ohne eine innere dritte Dimension; suggestive Verknüpfung durch blosse Folge; strenge, naturgebundene Wirklichkeit und äusserste Phantastik; das Dekorativwerden des unpathetischen, des gewöhnlichen Lebens. Im "Kino" kann sich alles realisieren, was die Romantik vom Theater - vergebens - erhoffte: äusserste, ungehemmteste Beweglichkeit der Gestalten, das völlige Lebendigwer- und der Interieurs, der Pflanzen und der Tiere; eine Lebendigkeit aber, die keineswegs an Inhalt und Grenzen des gewöhnlichen Lebens gebunden ist. Die Romantiker versuchten darum das phantastisch Naturnahe ihres Weltgefühls der Bühne aufzuzwingen. Die Bühne ist aber das Reich der nackten Seelen und Schicksale; jede Bühne ist im innersten Wesen griechisch: abstrakt bekleidete Menschen betreten sie und führen vor abstrakt-grossartigen, leeren Säulenhallen ihr Spiel vom Schicksal auf. Kostüm, Dekoration, Milieu, Reichtum und Abwechslung der äusseren Ereignisse sind für die Bühne ein blosser Kompromiss; im wirklich entscheidenden Augenblick werden sie immer überflüssig und darum störend. Das "Kino" stellt bloss Handlungen dar, nicht aber deren Grund und Sinn, seine Gestalten haben bloss Bewegungen, aber keine Seelen, und was ihnen geschieht, ist bloss Ereignis, aber kein Schicksal. Deshalb - und bloss scheinbar wegen der heutigen Unvollkommenheit der Technik - sind die Szenen des "Kino" stumm: das gesprochene Wort, der tönende Begriff sind Vehikel des Schicksals; nur in ihnen und durch sie entsteht die bindende Kontinuität in der Psyche der dramatischen Menschen. Die Entziehung des Wortes und mit ihm des Gedächtnisses, der Pflicht und der Treue gegen sich selbst und gegen die Idee der eigenen Selbstheit macht, wenn das Wortlose sich zur Totalität rundet, alles leicht, beschwingt und beflügelt, frivol und tänzerisch. Was an den dargestellten Ereignissen von Belang ist, wird und muss ausschliesslich durch Geschehnisse und Gebärden ausgedrückt werden; jedes Appellieren an das Wort ist ein Herausfallen aus dieser Welt, ein Zertrümmern ihres wesentlichen Werts. Dadurch aber erblüht alles, was die abstrakt-monumentale Wucht des Schicksals immer erdrückte, zu einem reichen und üppigen Leben: auf der Bühne ist nicht einmal das, was geschieht, wichtig, so überwältigend ist die Wirkung seines Schicksalswertes; im "Kino" hat das "Wie" der Geschehnisse eine alles andere beherrschende Kraft. Das Lebendige der Natur erhält hier zum ersten Male eine künstlerische Form: das Rauschen des Wassers, der Wind in den Bäumen, die Stille des Sonnenunterganges und das Toben des Gewitters werden hier als Naturvorgänge zur Kunst (nicht, wie in der Malerei, durch ihre aus anderen Welten geholten, malerischen Werte). Der Mensch hat seine Seele verloren, er gewinnt aber dafür seinen Körper; seine Grösse und Poesie liegt hier in der Art, mit der seine Kraft oder seine Geschicklichkeit physische Hindernisse überwältigt, und die Komik besteht in seinem Erliegen ihnen gegenüber. Die für jede grosse Kunst völlig gleichgültigen Errungenschaften der modernen Technik werden hier phantastisch und poetisch packend wirken. Erst im "Kino" ist - um nur ein Beispiel zu bringen - das Automobil poetisch geworden, etwa im romantisch Spannenden einer Verfolgung auf sausenden Autos. So erhält hier auch das gewöhnliche Treiben der Strassen und Märkte einen starken Humor und eine urkräftige Poesie; das naiv-animalische Glücksgefühl des Kindes über einen gelungenen Streich, über das hilflose Nichtzurechtfinden eines Unglücklichen wird in unvergesslicher Weise gestaltet. Im Theater, vor der grossen Bühne des grossen Dramas sammeln wir uns und erreichen unsere höchsten Augenblicke; im "Kino" sollen wir diese unsere Höhepunkte vergessen und verantwortungslos werden: das Kind, das in jedem Menschen lebendig ist, wird hier freigelassen und zum Herrn über die Psyche des Zuschauers.

Die Naturwahrheit des "Kino" ist aber nicht an unsere Wirklichkeit gebunden. Die Möbel bewegen sich im Zimmer eines Betrunkenen, sein Bett fliegt mit ihm - er konnte sich noch im letzten Augenblick am Rande des Bettes festhalten und sein Hemd weht wie eine Fahne um ihn - über die Stadt hinaus. Die Kugeln, mit denen eine Gesellschaft Kegel schieben wollte, werden rebellisch und verfolgen sie über Berge und Felder, durch Flüsse schwimmend, auf Brücken springend und auf hohe Treppen hinaufjagend, bis endlich auch die Kegel lebendig werden und die Kugeln abholen. Auch rein mechanisch kann das "Kino" phantastisch werden: wenn die Filme in umgekehrter Reihenfolge gedreht werden und Menschen unter den sausenden Autos aufstehen, wenn ein Zigarrenstummel durch das Rauchen immer grösser wird, bis schliesslich im Moment des Anzündens die unberührte Zigarre in die Schachtel zurückgelegt wird. Oder man dreht die Filme um, und seltsame Lebewesen agieren da, die vom Plafond plötzlich in die Tiefe schnellen und sich wie Raupen dort wieder verkriechen. Es sind Bilder und Szenen aus einer Welt, wie die von E. T. A. Hoffmann oder Poe war, wie die von Arnim oder von Barbey d' Aurevilly - nur ist ihr grosser Dichter, der sie gedeutet und geordnet, der ihre bloss technisch zufällige Phantastik ins sinnvoll Metaphysische, in den reinen Stil gerettet hätte, noch nicht gekommen. Was bis heute gekommen ist, entstand naiv, oft gegen den Willen der Menschen, nur aus dem Geiste der Technik des "Kino": ein Arnim oder ein Poe unserer Tage würde aber für seine szenische Sehnsucht hier ein Instrument bereit finden, so reich und so innerlich adäquat, wie es etwa die griechische Bühne für einen Sophokles war. Freilich: eine Bühne der Erholung von sich selbst, eine Stätte des Amüsements, des subtilsten und raffiniertesten, des gröbsten und primitivsten zugleich, und nie die der Erbauung und der Erhebung irgendwelcher Art. Aber gerade dadurch kann das wirklich entwickelte, seiner Idee angemessene "Kino" auch für das Drama (wieder: für das wirkliche grosse Drama und nicht für das, was heute "Drama" genannt wird) die Bahn frei machen. Der unüberwindliche Drang zum Amüsement hat das Drama von unseren Bühnen so gut wie völlig verdrängt: von dialogisierten Kolportageromanen bis zu innigblutarmen Novellen oder grosssprecherisch-leeren Haupt- und Staatsaktionen können wir alles auf der heutigen Bühne sehen - nur das Drama nicht. Das "Kino" kann hier die klare Scheidung vollziehen: es hat die Fähigkeit in sich, alles, was in die Kategorie des Amüsements gehört und sinnfällig gemacht werden kann, wirksamer und doch feiner zu gestalten, als es die Sprech-Bühne vermag. Keine Spannung eines Theaterstückes kann an Atemlosigkeit des Tempos mit dem hier möglichen wetteifern, jede Naturnähe der auf die Bühne gebrachten Natur ist kaum ein Schatten des hier Erreichbaren und statt der rohen Abbreviaturen von Seelen, die doch, wegen der Form des Sprechdramas, ungewollt an Seelen gemessen und deshalb abstossend gefunden werden müssen, entsteht eine Welt der gewollten und sein sollenden Seelenlosigkeit, eine Welt des rein Äusseren: was auf der Bühne Brutalität war, kann hier zur Kindlichkeit, zur Spannung an sich oder zur Groteske werden. Und wenn einmal - ich spreche hier über ein recht fernes, aber desto tiefer ersehntes Ziel aller, denen es ernsthaft um das Drama zu tun ist - die Unterhaltungsliteratur der Bühnen durch diese Konkurrenz totgeschlagen worden ist, dann wird die Bühne wieder gezwungen sein, das zu kultivieren, was ihr wirklicher Beruf ist: die grosse Tragödie und die grosse Komödie. Und das Amüsement, das auf der Bühne zur Roheit verdammt war, weil seine Inhalte den Formen der Drama-Bühne widersprechen, kann im "Kino" eine adäquate Form finden, die innerlich angemessen und so wirklich künstlerisch sein kann, wenn sie es auch im heutigen "Kino" recht selten ist. Und wenn die feinen, novellistisch begabten Psychologen von beiden Bühnen verdrängt werden, so kann das sowohl für sie wie für die Kultur des Theaters nur heilsam und Klärung bringend sein.

(Geschrieben 1913 in: Frankfurter Zeitung vom 10. September 1913)

Den Beitrag von Georg Lukacs "Zu einer Aesthetik des Kinos" entnahmen wir mit freundlicher Genehmigung der im Hermann Luchterhand Verlag Neuwied erschienenen "Literatursoziologie" von Georg Lukacs, die wir unseren Lesern sehr empfehlen. Sie enthält eine repräsentative Auswahl aus den literaturkritischen Schriften des grossen ungarischen Kritikers. Die Zusammenstellung der Ausgabe besorgte Peter Ludz. Preis 28.- DM.
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Der Weg ins Engagement? Der junge deutsche Film von F.W. Vöbel

»Der offenkundige Bankrott aller Prinzipien, nach denen hierzulande Filme produziert und inszeniert werden - eine Chance wie diese wird so bald nicht wiederkehren« - so schrieb Enno Patalas (Filmkritik Nr. 4/1962), und er meinte die Chance, die »Banausenherrschaft« im deutschen Film zu liquidieren und einen neuen deutschen Film zu wagen.

Ein trauriges Kapitel deutscher Filmgeschichte ist nun, hoffentlich, zu Ende gegangen, die Unzufriedenheit verantwortungsbewusster Kritiker, deren Attacken und Anregungen jahrelang von der Filmwirtschaft ignoriert wurden, beginnt nun, hoffentlich, ihre Früchte zu tragen. Bedauerlich nur, dass erst der wirtschaftliche und nicht schon der sich immer wieder bestätigende künstlerische Bankrott tabula rasa schaffte. Bedauerlich also, wenn auch bezeichnend für ein Land, in dem Filme nur allzu willig nach einem Slogan - erbrütet nicht etwa von den Werbetextern der Versicherungsgesellschaften, sondern denen der Regierung - hergestellt werden. Zwei renommierte Firmen der Filmwirtschaft gingen in Liquidation - endlich war der Zeitpunkt gekommen, der auch in unserem Lande auf Resonanz hoffen liess. In Oberhausen, anlässlich der westdeutschen Kurzfilmtage 1962, verkündeten junge Kurzfilmer unter dem Motto »Papas Kino ist tot« ihr Manifest. Vorher waren Joe Hembus mit »Der deutsche Film kann gar nicht besser sein« (Carl Schünemann Verlag, Bremen 1961) und Walther Schmieding mit »Kunst oder Kasse« (Rütten und Loening Verlag, Hamburg 1961) dem bundesdeutschen Filmschaffen zu Leibe gerückt und hatten insbesondere die Arbeiten der Herren Käutner, Hoffmann, Staudte und Thiele unter die Lupe genommen. Das Wirken der »Filmkritik«, einer Zeitschrift, die von Enno Patalas und Wilfried Berghahn herausgegeben wird, und die Angriffe der Jury »Junge Filmkritik«, die alljährlich eigenwillige Preise, wie z. B. für die schlechteste Leistung eines bekannten Regisseurs oder für den verkannten Film des Jahres, verleiht, fanden endlich eine breitere Plattform. Selbst Karl Korn nahm in einem Leitartikel der FAZ (vom 28.2.1962) den wirtschaftlichen Zusammenbruch der Ufa zum Anlass, den jungen Kurzfilmleuten, die in Oberhausen ihr Manifest verkündeten, Schützenhilfe zu geben und in den Ruf »Papas Kino ist tot« einzustimmen. (Übrigens und zur Kenntnis der Nur-FAZ-Leser: dieser Schlachtruf wurde nicht von Karl Korn erfunden, sondern stammt aus Frankreich, wo ein Kritiker seine Besprechung zu »Letztes Jahr in Marienbad« in Abwandlung des de Gaulleschen »Papas Algerien ist tot« mit diesen Worten überschrieb). Und es kamen natürlich auch die netten kleinen Plänchen: des gewitzten Arthur Brauners »riskante Welle«, in der »riskante Stoffe« billig verproduziert werden sollen, die »Star-Allianz« der Maria Schell und O. W. Fischer, die deutsches Kultur- und Gedankengut breitwändig mit Unterstützung Bonns zur Ehrenrettung des deutschen Films zu inszenieren trachten - wir meinen, es sollten nicht auch noch die letzten Besucher aus den Kinos verscheucht werden.

Aber auch Pläne: die Vorschläge des Oberhausener Manifests waren da schon diskutabler. Es hiess: «Der Zusammenbruch des konventionellen deutschen Films entzieht einer von uns abgelehnten Geisteshaltung endlich den wirtschaftlichen Boden. Dadurch hat der neue Film die Chance lebendig zu werden _... Dieser neue Film braucht neue Freiheiten. Freiheit von den brancheüblichen Konventionen. Freiheit von der Beeinflussung durch kommerzielle Partner. Freiheit von der Bevormundung durch Interessengruppen.» Auch die Frage der Finanzierung wurde erörtert: »Zehn Filme für fünf Millionen«, wobei man realistisch genug war festzustellen, dass auf Grund einer Risikoverteilung schon drei gelungene Filme genügen würden, um die Investitionen zu rechtfertigen. Mittlerweile wurde der Plan überarbeitet. Man denkt an eine Stiftung »Junger Deutscher Film«, die zusammen mit einer Produktionsgesellschaft jungen Bewerbern Starthilfe geben wird. Sie soll ohne Gewinn, unter strenger Kontrolle, arbeiten (Näheres siehe Filmkritik Nr.4/1962). Wie weit dieser Plan nun verwirklicht werden kann, steht dahin. Er wird sicher noch konkretisiert werden müssen, wie alle Vorschläge, die von der sogenannten Münchener Gruppe ausgingen. Sicher sind sie nicht das lang erwartete Allheilmittel. Wir können keine Wunder erwarten, dafür wurde in den letzten Jahren zu sehr geschludert, zu viel versäumt: bei der Filmwirtschaft; ein zentrales deutsches Filmarchiv fehlt; die Errichtung einer Filmhochschule wird nicht einmal diskutiert; an den meisten Universitäten, für die der Film immer noch Kintopp ist; nur eine Zeitschrift in Deutschland, die nicht Filmfeuilleton, sondern Filmkritik betreibt _... - nein, Wunder sind nicht zu erwarten.

Aber es gibt Ansätze, und zwar Ansätze bei denen, die bisher ihre Filme unter erschwerten, zum Teil äusserst schwierigen Bedingungen machen mussten, die dennoch bereit waren, künstlerische und finanzielle Risiken einzugehen, die dann Filme vorlegten, die, gemessen an den kommerziellen Produktionen unseres Landes, filmisches Neuland darstellten. Wir denken an Domnicks »Jonas« und »Gino«, Herbert Veselys »Nicht mehr fliehen«, »Mode in der Stadt«, »Porträt einer Pause«, an Peter Schamonis und Alexander Kluges »Brutalität in Stein«, Peter Schamonis »Bodega Bohemia«, an Haro Senfts »Die Brücke«, »Patience«, an Franz Josef Spiekers »Süden im Schatten«, an Strobels und Tichawskys »Den Schlüssel um den Hals«, »Notizen aus dem Altmühltal«, an Hans Sachs und Karl Schüttlers »Der Mann im Souterrain« und Hans-Jürgen Pohlands »Autos von morgen, Strassen von heute, Menschen von gestern«, der jetzt den neuen und ersten Spielfilm Veselys »Brot der frühen Jahre« mit-produziert, dessen erster eigener Spielfilm »Tobby«, die Geschichte eines Musikers, aber misslungen ist. Sicher, ganz sicher, waren es keine Geniestreiche, vieles wäre anzumerken im Vergleich zu den Spitzenleistungen anderer Länder. Und, abgesehen von wenigen Ausnahmen trifft Hansmartin Esser den Kern, wenn er meint: »_... die Stunde für den neuen deutschen Film ist da, soweit und sobald unser Nachwuchs sich anzuerkennen bequemt, dass es neben dem formalen Talent auch des thematischen Engagements bedarf.« (konkret Nr.4/1962). Es sind vorwiegend Kurzfilme, die die Unterzeichner des Oberhausener Manifests bisher produzierten. Und in der Tat ist es richtig, dass in anderen Ländern der Kurzfilm Schule und Experimentierfeld des Spielfilms war und noch ist: in Frankreich, England, Polen beispielsweise. Bedeutende Filmschöpfer der Gegenwart kamen über den Kurzfilm zum Spielfilm. Karel Reisz, Georges Franju, François Truffaut, Alain Resnais, um nur einige zu nennen. Aber gerade ihnen war eins gemeinsam, nämlich das thematische Engagement. Um bei den Genannten zu bleiben und um einige Filme zu zitieren: Karel Reisz drehte »We are the Lambeth Boys« und dann »Saturday Night and Sunday Morning«, Georges Franju »Le Sang des bêtes« und »Hotel des Invalides« und dann »La tête contre les murs«, Truffaut »Les Mistons« vor »Les 400 coups« und »Tirez sur le pianiste«, Resnais den noch heute verbotenen »Les statues meurent aussi« und »Nuit et Bruillard« vor »Hiroshima» mon amour« und »L' année dernière«. Dass ein solches Engagement unerlässlich ist, scheint auch die Auffassung der Münchener zu sein. In einem offenen Brief an Arthur Brauner fragten sie u.a.: »Sind Sie mit uns der Meinung, dass der deutsche Film nicht so sehr neue Stoffe als vielmehr neue Gestalter braucht? Glauben Sie nicht auch, dass Idee und Realisierung eines Films von einer einheitlichen geistigen Konzeption bestimmt werden müssen?« (Frankfurter Rundschau 6.4.1962). Die »nouvelle vague« hat in ihren besten Beispielen bewiesen, dass es nicht so sehr und allein auf die »riskanten Stoffe« ankommt, sondern vornehmlich auf den Gestalter, den Filmschöpfer. Die »nouvelle vague« die im übrigen auch zu einer Zeit entstand, als der französische Film dem Bankrott nahe war.

Und Georges Franju sagte in einem Interview: »Es genügt nicht, Fragen zu stellen, eine These vorzutragen; man muss auch Antworten liefern. Der Regisseur muss Partei ergreifen. Er muss seine eigene Meinung über die Dinge bekanntgeben _...« (Zitiert nach Film 58,206). Man könnte hinzufügen, dass es weiter nicht genügt, bekannte Paragraphen des Strafgesetzbuches, unbewältigte Vergangenheit oder die »Weisste noch«- Kameradschaft zu bemühen, sie auf gängig zu polieren, um dann ein »heisses Eisen« als »schonungslos offen« behandelt ankündigen zu können. »Schonungslos offen ist am Ende nur die Bluse der jugendlichen Hauptdarstellerin _...« stellt Walther Schmieding dazu fest (Rütten und Loening Verlag, Hamburg 1961).

Die Forderung Franjus verlangt das Engagement. Ein Engagement, das über das blosse Interesse an der Bearbeitung des jeweiligen Stoffes hinausgeht - eine Binsenwahrheit, wie man meinen sollte, von der aber die Binsen sehr schnell in die Binsen gehen, wenn dieses Engagement als konsequentes Engagement begriffen wird. Die grossen Filme eines Griffith, Eisenstein, v. Stroheim, Chaplin, Orson Welles, Murnau, Lang, Buñuel, Visconti, Antonioni, Bresson oder Bergmann, um wahllos einige zu nennen, haben dies gezeigt. Undenkbar, sie hätten ihre Themen lediglich »ver«-filmt.

Ein konsequentes Engagement impliziert notwendigerweise Subjektivität. Der Filmgestalter, nach Jacques Rivette »derjenige, der in der ersten Person erzählt«, wird interpretieren. (Zit. nach Hembus, Carl Schünemann Verlag, Bremen 1961). Die Relevanz der Argumente bestimmt damit die Überzeugungskraft des Films, Phrasen - gemeint sind nicht nur die politischen - werden entlarvt. Deshalb kann ein cinéma engagé nicht dem Ideal entsprechen, von dem Friedrich Luft schwärmte: »Der Film schafft Selbstvergessen. Er löscht den Konsumenten aus. Er saugt ihn auf die Leinwand und in den magnetischen Bildertaumel, der dort bereitet ist. Das Wesen und die Erfüllung ist Trance. Trance aber, was auch die Kunstspiesser meinen sollten, gerade Trance ist striktes Gegenteil von Kunst.« (Magnum Nr. 37/1961)


Für einsfuffzig kann ick verlangen, dass an meine niedersten Instinkte appelliert wird.

Alte Berliner Kintopp-Weisheit
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Die Notwendigkeit der Satire von Peter H. Schröder

Der Satiriker ist die Figur, unter welcher der Menschenfresser von der Zivilisation rezipiert wurde.

Walter Benjamin

Den satirischen Film gibt es nicht; es existieren Persiflagen, brillant gemachte Übertreibungen, in denen ein Thema genommen und ironisch aufgeputzt wird. Sie sind heiter-melancholisch, mokieren sich und belassen es dabei: es fehlt ihnen die Kritik, die zur Veränderung der Zustände drängt, wie es der Satire eigen ist. Satiriker zu sein heisst, der vorbehaltlosen Kritik zuzustimmen, die die Zerstörung dessen intendiert, das als falsch und unzulänglich erkannt worden ist. Der Satiriker will dem satirisch Dargestellten ans Leben und hat dessen Zerstörung in seinen Plan mitaufgenommen: das Ende der Satire muss auch das Ende des angegriffenen Gegenstandes miteinschliessen. Der Abwehrreaktion des Rezipierenden wird geschmeichelt, indem ihm die Heiterkeit gestattet wird, um ihn dann zur Bitterkeit der Erkenntnis zu bringen, wenn sich die Intention verwirklicht hat, als die sich die Destruktion der Missstände begreifen lässt.

Die Technik des Satirikers ist die des Heuchlers, der seine Tätigkeit als notwendig für sein Werk begriffen hat; ihrer Funktion nach ist die Heuchelei des Satirikers positiv: in ihr lebt das Bewusstsein, mehr zu wissen, als ausserhalb ihrer selbst gesagt werden kann; das sich verstellt, um mehr sagen zu können, als die Gesellschaft durchgehen lässt. Die Mittel der Satire bestimmen sich von der Wirksamkeit her und leben nur auf diese hin, solange die Satire im Entstehen ist; am Ziel angekommen, verschmelzen jene Mittel mit ihrem Ergebnis, die Verstellung wird unter dem Blickwinkel der Zerstörung des Angegriffenen miterledigt. Der Satiriker täuscht, um die Täuschung, wenn sie ihm gedient hat, mit der Wirklichkeit des Werkes zu versöhnen, indem er sein Geheimnis auflöst.

Satire bleibt nicht stehen beim affirmativen Antithesen schaffen, sondern versichert sich selbst der dialektischen Bewegung, indem die Ablehnung dessen, was zerstört werden soll, mit Pointen kaschiert wird. Diese Pointen werden evoziert durch das Ziel, gegen das die Satire vorstösst und sind vermittelt vom Gehalt der Wahrscheinlichkeit, der ihnen vor der Realität zukommt; nur im Bezug auf diese lässt sich ihre Legitimation herleiten.

Kritik ist der Inhalt des Satirischen, Polemik das Gestaltungsmittel; in schlechten Beispielen steht an ihrer Stelle Ironie, die zwar ebenfalls angreift, aber das Angegriffene nur modifiziert aus dem Prozess der Bearbeitung herausrettet. Polemik dagegen greift an und tötet, indem sie entlarvt. In der polemischen Schärfe des Satirikers liegt die Nuancierung der Todesart, die er dem Objekt seines Angriffs zumisst. Der polemische Stil der Satire ist ein Gradmesser des Humors, den der Autor besitzen muss, will er kein Blutbad anrichten: ohne Humor sinkt die Satire auf das Niveau debattierender Politiker herab, die sich über Diäten streiten. Der Humor ist für die Polemik notwendiges Bestandteil, er ist die List, die dem Angegriffenen das Ja zum eigenen Untergang abringt. Er steht nicht als Selbstzweck in der Satire, der die Heiterkeit auf den Plan ruft, damit diese sich festsetze, sondern als Zustimmung provozierende ,couverture', die die Ablehnung wegfegt. Von dieser Wesensbestimmung her durchdringt Humor das Werk des Satirikers, ist er dessen Freude an der Zerstörung verhärteter Bewusstseinsinhalte, die anvisiert werden.

Die Polemik, die sich so den Weg bahnt, schafft Luft und Platz für Neues, indem sie die Wirklichkeit entzerrt, die längst zur Perversion im Denken geworden ist. Dieses Falsche wird in die Satire einbezogen, vom Satiriker umgestülpt, so dass am Ende nicht das Falsche richtiggestellt wird, sondern vielmehr dessen Trümmer zum Vorschein kommen.

Die Satire lebt nicht im Vakuum, noch lebt dieses in ihr. Ihr Zerrspiegel ist die Wirklichkeit, die als ,Wirklichkeit' nur in den falschen Denkschemata derer existiert, die daran das Interesse haben, das sich zwischen Daumen und Zeigefinger denken lässt. Satire lebt vom engen Bezug auf die gesellschaftlichen Erscheinungsformen, will diese, indem sie den hemmenden Residuen nachspürt, umformen, während sie die Rückstände tötet.

Ebenso, wie sie die gesellschaftlichen Phänomene in sich aufnimmt, gewinnen diese in ihr die Bedeutung des Materials, das, verarbeitet oder besser: bearbeitet, nach aussen projiziert wird und das Aktuelle verschärft. Das bedeutet in nuce, dass die Satire, in der Destruktion, eine utopische Perspektive eröffnet, deren Schein die Trümmer des mit Recht Zerstörten durchdringt. Dieses utopische Bild ist der Satire immanent: es wird nie pastoral-pathetisch artikuliert und als fabula docet ans Ende gesetzt, weil sonst das darinliegende ändernde Moment sofort sich selbst verleugnete und als blosses ,happy-ending' dastünde, bereits abgestorben und zur Bestätigung degradiert, ehe es Wirkung entfalten konnte. Die Satire versöhnt aus sich heraus mit sich selbst, nicht durch das Postulat der Versöhnung.

Die Satire als Gesellschaftskritik braucht den Ärger der kritisierten Gesellschaft; dieser ist als Ferment in ihr angelegt. Wen die Satire enragiert, der ist auf dem Wege, sie zu begreifen.

Den satirischen Film gibt es noch nicht. Der Film, mit der Vielzahl seiner technischen Möglichkeiten, muss, wenn er seine gesellschaftliche Funktion richtig begreift, auf die Satire zurückgreifen, will er nicht zum mittelmässigen Unterhaltungsmedium herabsinken. Die Gefahr, dass in unserer Zeit der Film seine Aufgaben nicht völlig ausschöpft, weil seine Produzenten das Geschmacksniveau aus der Illustriertensphäre schöpfen, anstatt auf das Illustriertenniveau dadurch einzuwirken, dass sie es als inakzeptabel ablehnen und satirisch zugrunde richten, geht zusammen mit der Nachlässigkeit, mit der der Film gemäss seiner ökonomischen Ausbeutbarkeit gemacht wird. Wenn wir den Film als Faktor des gesellschaftlichen Zusammenlebens begreifen und ihn somit als Politikum einstufen, so leugnen wir nicht die künstlerischen Gesichtspunkte, unter denen er entstehen muss. Ästhetische Kategorien sind sowohl solche des Films, als auch die der Satire. Aber nur durch den aktuellen Bezug auf die Basis, auf der der Film steht, ist er hinreichend legitimiert, Wirksamkeit und Notwendigkeit für sich zu beanspruchen.

In einer Zeit, in der die Perversion des Denkens zur Ausrottung des Menschens tendiert, ist die Relevanz der Satire, die diese Barbareien mit Gewalt zusammenschlägt und ihr Weiterleben unmöglich zu machen trachtet, ausserordentlich gross. Sie ist die einzige Form, in der Kritik an der Gesellschaftsordnung, in der wir leben, noch Aussicht auf Erfolg haben kann.

Der satirische Film, wie wir ihn fordern, besitzt keine glorifizierende Vergangenheit, die ihm Rückendeckung zu geben vermöchte; er sollte und muss sich in der Gegenwart zu etablieren und diese zu verändern versuchen, damit es in der Zukunft eine Erinnerung an ihn und die Vergangenheit geben kann, deren sich die Menschen, die den Film als Geschichte begreifen, nicht zu schämen brauchen und sagen können, dass wir unsere ,position de bataille' richtig genutzt haben.
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Portrait: John Cassavetes von Jonas Janz

Colgate College, ein abgebrochenes Medizinstudium. Stage Manager am Broadway. Engagements beim Theater, Fernsehen. Und schliesslich Darsteller in Hollywoodproduktionen wie "Crime in the Streets" und "Taxi". Das waren die Stationen des 1929 in New York geborenen John Cassavetes, ehe er seine erfolgversprechende Laufbahn als Schauspieler aufgab und nach New York ging, um dort zusammen mit dem Regisseur Bert Lane das Variety Arts Studio, eine Schauspielschule, zu eröffnen. Sie boten zunächst über Annoncen Schauspielern an, bei ihnen zu arbeiten, ihre Szenen zu proben. Sie versprachen Autoren, Regisseure und Produzenten einzuladen - aber niemand folgte ihrem Vorschlag. Cassavetes und Lane öffneten nun jedem ihre Tore. "Die Interessenten kamen direkt von der Strasse, und das einzige, was sie mitbrachten, war der Wunsch, Schauspieler zu werden. Die wenigsten besassen Berufserfahrung, die meisten hatten nicht einmal als Komparsen gearbeitet und manche sogar nie zuvor eine Kamera gesehen. So probten wir jeden Abend, bis ich mit den Arbeiten zu ,Shadows' begann und Bert Lane die Schule allein übernahm, die er noch heute mit grossem Erfolg leitet." (Filmkritik Nr. 12/1961; Cahiers du Cinéma Nr. 119/1961)

Cassavetes hat ausführlich darüber berichtet, wie und mit welchen Zielen »Shadows« gedreht wurde: (Frankfurter Rundschau 18.3.1961) er war gedacht als ein Versuch, die Möglichkeiten vollkommener Improvisation zu erproben, den Darsteller zu befreien "von Dialogen, die ein natürlicher Mensch niemals über die Lippen bekommen würde, - von Handlungsweisen, die an irgendeinem Schreibtisch zurechtkonstruiert wurden, - vom zentimetergenauen Balancieren auf vorgezeichneten Kreidestrichen, die der Kameramann aus beleuchtungstechnischen Gründen gezogen hat, - von der Degradierung des Schauspielers zum lebenden Requisit für die persönlichen Vorstellungen des Regisseurs, - von der lähmenden Angst, irgend etwas zu verderben und nie wieder filmen zu dürfen."

Getreu dieser Konzeption wurde nur die allgemeine Handlung festgelegt: die Begegnung einer Schwarzen mit einem Weissen in New York, wobei der Weisse, bedingt durch die sehr helle Hautfarbe des Mädchens, erst später erfährt, dass sie eine Farbige ist. Es gab kein Drehbuch. In langen Besprechungen wurden die Charaktere bestimmt und dann vor der Kamera frei improvisiert. Einer 16-mm-Kamera, mit der meistens aus der Hand geschossen wurde, und die nicht das Verhalten der Schauspieler diktierte, sondern die den Bewegungen der Darsteller folgte. Hierdurch entstand ein gewisser Bildrhythmus, der nicht zuletzt für die ungewohnte Frische und Spontaneität des Films ausschlaggebend war.

Ungewöhnlich war aber nicht nur diese gegen alle etablierten Herstellungsmethoden verstossende Art der Produktion, sondern auch die Finanzierung. Nach kurzer Zeit ging das Geld aus, und erst die Aufrufe einer TV-Gesellschaft brachten die Spenden, die dann die Uraufführung des Films nach zehn Wochen Drehzeit im Herbst 1958 ermöglichten.

Für die Leute um Film Culture, einer New Yorker Aussenseiter-Zeitschrift, wurde ,Shadows' ein Symbol, die Bestätigung für die Richtigkeit aller ihrer Angriffe auf die Hollywooder Produktionen. Unabhängigkeit war Trumpf. Jonas Mekas, der Herausgeber der Film Culture, sah in ,Shadows' einen Markstein des amerikanischen Films.

In seinem Artikel ,A Call for a new Generation of Film Makers' (Film Culture nr.19/1959) schrieb er, nachdem der von seiner Zeitschrift gestiftete ,Independent Film Award' ,Shadows' verliehen worden war, dass nun der Beweis erbracht sei, dass man mit 15 000 Dollar einen grossen Film machen könne. "Und einen Film, der nicht das Leben oder das Filmschaffen verrät. Was beweist das? Das beweist, dass wir jetzt unsere Filme selbst machen können. Hollywood und das Miniatur-Hollywood der ,Unabhängigen' werden nie unsere Filme drehen _..."

Cassavetes stiess damals in einem Artikel im gleichen Heft der Film Culture nach. Hollywood sei nicht dabei zu versagen, sondern es habe schon versagt. Filme dürften nicht nur hergestellt werden, um die Vorstellungen der Produzenten vom Publikum zu bestätigen. Das zwinge den Künstler zum Kompromiss. Und der Preis des Kompromisses sei der Verrat an seinen grundsätzlichen, künstlerischen Vorstellungen. Nur die volle künstlerische Freiheit vermöge dem Film die neuen und lebensnotwendigen Impulse zu vermitteln.

Es kam nun die Kontroverse mit Jonas Mekas. Denn, so meinte Mekas, Cassavetes habe sich von Verleihern um des geschäftlichen Erfolges willen breitschlagen lassen, aus der ersten Fassung eine zweite, kommerzielle Fassung zu machen, die Mekas dann einen Bastard nannte. Cassavetes jedoch sieht die Dinge anders und erklärt (Filmkritik Nr. 12/1961; Cahiers du Cinéma Nr. 119/1961): "Nachdem ich die erste Fassung von ,Shadows' gesehen hatte, überlegte ich noch einmal alles genau und sagte mir: Das ist offensichtlich danebengegangen. Meine Produzenten Maurice McEndree und Seymour Cassel kamen zu mir und sagten: Hör zu, John, verschiedenes müssen wir noch einmal drehen. Wir haben grösstmögliches Vertrauen zu Dir. Aber Du bist ein Amateur. - Ich fügte mich ihnen, wir fingen noch einmal an, und ich versuchte, vom Standpunkt des Schauspielers aus zu filmen. Und ich bin der Meinung, dass wir damit Glück hatten, denn die Schauspieler sind grossartig; vorher sah man sie vor lauter Bäumen und Autos gar nicht." Cassavetes richtet sich nur nach den Erfordernissen der jeweiligen Konzeption, der Eigengesetzlichkeit des zu bearbeitenden Stoffes. Er weiss, dass formale Fesseln einen künstlerischen Erfolg zu Fall bringen können. So äusserte er später, dass er das Drehen ohne Skript oder Drehbuch nicht als eine allgemein verbindliche Maxime betrachtet wissen will: denn "hätten wir einen guten Drehbuchschreiber gehabt, hätten wir auch ein Drehbuch benutzt" (Film Quarterly, Spring 1961). Er arbeitet heute in Hollywood, bei Paramount, und hat 1961 seinen zweiten Film, "Too Late Blues", fertiggestellt. Ein Film, der zwar kein Millionenbudget hatte, aber immerhin ein beachtliches Budget. Viele seiner Freunde nehmen ihm dies übel und stellen weiterhin der Hollywood-Doktrin ihr Evangelium vom grundsätzlich budget-losen Film entgegen. Cassavetes: "Sicher, all das war furchtbar aufregend, es war eine gute Übung, für die ich dankbar bin, aber ich würde nicht noch einmal die Kraft dazu haben _... Ich ziehe es jetzt vor, im grösseren Studio zu drehen. Dort habe ich grössere Möglichkeiten und technische Hilfe _... besonders bei ,Too Late Blues', der zu 98 Prozent aus Innenaufnahmen besteht. Es ist ein Film über Menschen, nicht über Plätze". Aber "ich werde meine stundenlangen Gespräche mit den Darstellern beibehalten. Das war bei ,Shadows' wichtig."

"Viele Anregungen kommen bei der Improvisation, nicht nur die äusseren Dinge. Darüber hinaus ist die Eigenart des Schauspielers zu beachten, die er ja auch bei der Darstellung der Charaktere zu zeigen wünscht. Auf diese Art hat der Regisseur seinem Schauspieler zu dienen. Denn Wirklichkeitsnähe ist im Film wichtiger als im Theater." (Sight and Sound, Summer 1961; Film Quaterly, Spring 1961)

,Too Late Blues' ist Cassavetes zweiter Film, der sich kritisch mit dem Leben einiger weisser Jazz-Musiker in Los Angeles auseinandersetzt. Wie schon in ,Shadows', so soll auch hier der Musik eine spezifische Rolle übertragen werden. Theodor Kotulla hat in seiner Besprechung zu ,Shadows' (Filmkritik Nr.12/1961 S.599) darauf hingewiesen, dass Cassavetes seine lose erzählerische Form nicht dem amerikanischen Film, der in seiner Impotenz erstarrt sei wie vielleicht nur der deutsche, entlehnen konnte, sondern dass die strukturellen Prinzipien einer anderen Kunstgattung, nämlich des Jazz, hier helfen mussten.

Cassavetes zählt unzweifelhaft zu den Regisseuren, die in den vergangenen Jahren dem Film neue und dringend notwendige Impulse gegeben haben: in Frankreich war es Jean Rouch mit ,Moi, un Noir' und ,Chronique d' un Eté', Truffaut mit ,Les quatre cent coups' und in England Karel Reisz mit ,We are the Lambeth Boys'. Filme, die nach Intention und Ergebnis sicher nicht miteinander verglichen werden können, die aber alle durch Unmittelbarkeit und Aussagekraft überzeugten. In Amerika selbst sind mittlerweile die unabhängigen Produktionen auf eine beachtliche Anzahl gestiegen. Frank drehte 1959 ,Pull my Daisy' und 1960 ,The Sin of Jesus'. Shirley Clarke ,The Connection', Jonas Mekas 1961 ,Gun of the Trees', Lionel Rogosin 1959 ,Come Back Africa'. (Vgl. Film Culture Nr. 21/1960; Cahiers du Cinéma Nr. 108/1960; Filmkritik Nr. 4/1961; Cinema 28/1961-62).
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Grosspapas Volkskino. Anthologie feiner Reden Rainer Loev

Der Pädagoge und Kinematographentheaterbesucher Dr. Adolf Sellmann hat vor nunmehr fünfzig Jahren den gebildeten Kreisen unseres deutschen Volkes die zweite, vermehrte Auflage seines grundlegenden und grüblerischen Werkes "Der Kinematograph als Volkserzieher?" vorgelegt. Der herzoglich sächsische Hofbuchhändler hat es als 470. "Pädagogisches Magazin" in Langensalza verlegt. Der Preis betrug 80 Pfennig, wobei in Erinnerung gebracht sei, dass das damalige deutsche Frischei kaum auf 5.1 Pf kam. In der nunmehr letzten, beträchtlich verminderten Auflage, die wir im folgenden zum Abdruck bringen, hat der Sellmann-Schüler R. Loev unverändert belassen, was das Werkchen unserem heutigen Publikum noch Wesentliches und Erbauliches zu sagen hat.

Besonders wird man in den Kreisen, wo man an die Volksbildung denkt, die Kinofrage näher untersuchen müssen und die Wirkung der Kinos auf die Volksseele näher festzustellen haben.

Die Kinos, wie sie zumeist noch heute sind, verletzen jedes gesunde Empfinden und sind ein Hohn auf unsere bildungsstolze Zeit.

Das läuft und das rennt, das rauft sich und schlägt sich, das purzelt und poltert, das zappelt, rappelt und hampelt - dass man vor lauter Vergnügen (!) gar nicht zur Besinnung kommt _... aber ist das wirklich Humor? Echter Humor greift in die Tiefe des Gemüts, wird getragen von Ideen, ist verbunden mit Mitgefühl und Herzenswärme.

Die Köpfe sind gerötet, die Atmung und der Pulsschlag wird beschleunigt.

Der wiederholte leidenschaftliche Besuch des Kinematographentheaters hat nach seinem eigenen Geständnis den jugendlichen Dienstknecht Wilhelm Fleck aus Göttingen zum Strassenraub verleitet.

Bedeutet es nicht einen Verlust an Volkskraft, wenn mehrere Millionen unseres Volkes mehrere Stunden tagtäglich unter Umständen in schwüler, rauchgeschwängerter Luft im dumpfen und dunstigen Kinotheater zubringen, anstatt dass sie in Wald und Feld ihre Lungen weiten und ihre Körperkräfte erneuern?

Wir brauchen jedoch Menschen mit hellen und klaren Augen und mit einem praktischen Wirklichkeitssinn, die den Kampf ums Dasein mit aller Ruhe und Energie kämpfen.

Auch möchte ich darauf hinweisen, dass noch immer viel zu viel unnötige Fremdworte und immer wieder in den Filmschriftstücken lateinische Druckbuchstaben oder sonstige fremde (englische) Schriftzeichen zu sehen sind. Es steckt leider auch in dieser Beziehung fast nur fremdländisches Wesen in unseren deutschen Kinos.

Überhaupt weht in unseren Kinos noch viel zu wenig Heimatluft und viel zu viel fremdländische Luft.

Deutsches Wesen und deutsche Art, deutsche Landschaft und deutsche Geschichte, deutsches Handwerk und deutsche Industrie, deutsche Sitte und deutsches Volkstum sollte bei der Fabrikation von Films in deutschen Fabriken etwas kräftiger in Erscheinung treten.

Alle, die wir die Schäden der heutigen Kinos klar erkennen, wir müssen uns die Hände reichen, und diese Einigkeit wird uns stark machen.

_... wenn in allen Volkskreisen und Volksschichten Kampfgenossen gefunden werden.

Auch die Kirche wird Nutzen von dem Kinematographen haben, denn kinematographische Bilder, die uns das Leben der inneren und äusseren Mission zeigen, können in weitesten Kreisen des Volkes das Bewusstsein wecken, wie praktisch und umfassend die Kirche für das Wohl der Menschheit tätig ist.

Im besonderen soll das Verhalten des einzelnen Mannes im Gefecht und im Felddienst veranschaulicht werden.

Ich habe jedoch in dieser Beziehung einen grossen Optimismus und behaupte dagegen, dass die Masse als solche jenseits von Gut und Böse ist und dass sie jedesmal so beschaffen ist, wie die gebildete Schicht eines Volkes sie haben will. (Der Schein trügt. Sellmann war erweislich kein Marxist. Der Bearb.)

Die Hauptsache ist jedoch, auch hier nicht auf die Organisation zu verzichten.

Polizei und Lehrerschaft gingen auch z. B. in Magdeburg bei der Zensur in erfreulicher Weise Hand in Hand. Was in Berlin noch zulässig angesehen wird, kann und muss vielleicht in einer anderen Stadt verboten werden.

Durch die in Frage kommenden Plakate, z. B. "Die Jugendsünde", Heisses Blut", "Frau Potiphar" usw. werde die Sinnlichkeit und Lüsternheit angeregt; insbesondere Kinder ständen vor den Plakaten und vergässen über den anregenden Anblick, den Fuhrwerken und Passanten Platz zu machen, so dass der Verkehr gefährdet werde.

Wenn die Behörden in dieser Beziehung scharf zugreifen, werden sie der Zustimmung der besten Teile des Volkes sicher sein.

Die Gemeinde Eckerl (Amtmann Berkermann) ist mit der Gründung eines Gemeindekinos tapfer vorangegangen.

Auch Rektor Lemke in Storkow (Mark) arbeitet literarisch in diesem Sinne.

Es wird dann auch hier heissen: durch Kampf zum Sieg.
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Warten auf Godard von Hanns Fischer

1958 wagte Claude Chabrol mit "Le beau Serge" seinen ersten Spielfilm. Ihm, dem Schüler Andre Bazins, folgten weitere Mitarbeiter der "Cahiers du Cinéma", renommiertester Filmzeitschrift Frankreichs: Truffaut mit "Les quatre cents coups", Eric Rohmers "Le signe de lion" und Doniol-Valcroze mit "L' eau à la bouche". Der letzte, der den Sprung riskierte, war Jean Luc Godard. Er errang 1960 mit "A bout de souffle" den wohl grössten Erfolg der "Ecole Cahiers".

Godard gehörte erst kurze Zeit zu dieser Gruppe, von den Routiniers belächelt wegen einer sehr subjektiven und leicht verwirrten Kritik, die sich schon damals vornehmlich mit amerikanischen Thrillern auseinandersetzte. Dabei galt Godards besondere Liebe Regisseuren wie Nicholas Ray ("Rebel Without A Cause", "Bitter Victory") und Hawks, einem B-Filmmann der amerikanischen Monogram-Pictures, denen er später seinen (Godards) Erstling widmete. Während er Griffith oder Eisenstein auf eine unfilmische Basis reduzierte, nämlich auf Theater und Tanz, erscheint ihm Ray's "Victory" als "Film an sich". Auch Fritz Lang erfreut sich Godards Hochachtung, doch mutet es uns eigenartig an, wenn G. auf einer Pressekonferenz in Berlin 1961 weder "Mabuse" noch "M" sondern den Reisser "Die tausend Augen des Dr. Mabuse" und den Schinken "Tiger von Eschnapur" als Längs Hauptwerke hinstellt.

Derartige Subjektivität verblüfft nicht mehr, wenn man versucht, Godard näher kennenzulernen. Der am 3. Dezember 1930 in Paris geborene Schweizer besucht nach seinem "Bac" die Universitäten in Lyon und Paris. Schon das erste verbummelte Semester bringt ihn zum Film. Er besucht den Filmclub Quartier-Latin, für dessen Publikationen er gelegentlich schreibt. Das war anfangs der fünfziger Jahre.

Godard: Ethnologe, Cineast, Gammler (als solcher den zuständigen Behörden wohlbekannt) gibt sein Studium auf, begibt sich auf grosse Fahrt, trampt durch beide Teile Amerikas, kehrt zurück nach Europa, um sich beim Bau eines Staudamms als Hilfsarbeiter zu verdingen. Hier sammelt er auch seine ersten praktischen Filmerfahrungen: er produziert "Operation Beton", einen dokumentarischen Kurzfilm über den Bau, der - zwar sauber gemacht - nicht sonderlich reüssieren konnte. Godard kehrt nach Paris zurück, arbeitet seit 1955 bei "Gazette du Cinéma", "Cahiers" und "Arts" (unter Truffaut) mit. Theorie und Praxis gehen Hand in Hand. Godard betätigt sich am Schneidetisch und dreht bis 1958 vier weitere Kurzfilme: "Une femme coquette" (1955), "Tous les garçons s' appelent Patrick" 1957, "Charlotte et son Jules" und "Une histoire d' eau" (beide 1958).

Besonders die beiden letzten Filme zeigen, wie gut Godard versteht, die (technische) Not zur Tugend, zum Stilmittel zu machen. Als Belmondo, "son Jules", erkrankt, spricht Godard den Text asynchron zum Bild selbst. Die von Truffaut begonnene "histoire", die diesem aus dem Rahmen gegangen war, setzt Godard fort, indem er die Fülle des Materials verwegen montiert und kommentiert, was in seinen späteren Filmen typisch für ihn werden soll. Er selbst steht seiner Methode, aus Mängeln Vorteile zu machen, sehr skeptisch gegenüber. Man sollte ihm diese Unzufriedenheit nicht glauben. Sicher kennt auch er die Entstehungsgeschichte der aufgemalten Schatten in den deutschen expressionistischen Filmen, die zum Teil durch die Beschränkung der Elektroenergie im Kriegs- und Nachkriegs-Berlin bedingt war.

Bei Godard tritt zur Unzufriedenheit die Unsicherheit: die Umgehung des politischen Engagements, die Unlust, Position zu beziehen. Die soziale Ungebundenheit Michels ("Ausser Atem"), die politische des "kleinen Soldaten" Bruno: das ist Godard. Ein Mann "ohne Eigenschaften". Seine Person entzieht sich den Kriterien herkömmlicher Beurteilung wie seine Filme. Sicherlich introvertiert, und doch nicht ganz. Erinnern wir uns seines Helden Michel, der in einer Szene eine Sonnenbrille trägt - Godard selbst mag diesen Schutz nicht missen: die Brille hat nur ein dunkles Glas. Godard, der es liebt, unter Pseudonym zu schreiben, identifiziert sich mit seinen Helden, die wiederum seine Pseudonyme sind. Durch sie versucht er, sich zu befreien. Sie handeln, wie er denkt: der Anarchist Michel (Godard selbst spricht von "ausser Atem" als anarchistischem Film!), Lone Wolf, von der Gesellschaft getrennt, nicht verstanden wie seine amerikanischen Vorbilder. Bruno, der nicht aus Weltanschauung desertiert, sondern um zu überleben, der zwischen zwei Gruppen steht, sich keiner anschliessen will, sondern nur einen einzelnen Menschen sucht. Das alles ist Godard!

Die Erscheinungen seiner Umwelt sind ihm eine unberechenbare Kette einmaliger Erfahrungen. Ihr Wesen zu erklären, versucht er nicht. So zeigt er z. B. in "Le petit soldat" die Folter nicht vor ihrem psychologischen und politischen Hintergrund, sondern als persönliche Erfahrung oder nur als Erinnerung. Es genügt, auf die Ereignisse zu reagieren, zu improvisieren, unmotiviert zu handeln im "acte gratuit".

Godards Arbeitsmethoden basieren auf diesem "acte gratuit": er improvisiert fast immer (für "Ausser Atem" genügte ihm ein zehnzeiliges Exposé von Truffaut). Diese Methode führt zum Gag. Ihn gibt es immer reichlich bei Godard. Er vertraut auf seine augenblickliche Inspiration. Bleibt sie aus, wird vertagt. Szenen werden selten wiederholt. Diese Methode ist ökonomisch, die Produktionssummen beweisen das.

Selbstverständlich gilt "l' acte gratuit" auch für seine Schauspieler. Er gibt ihnen kaum Lerntexte, erklärt nur den generellen Verlauf einer Szene und lässt sie improvisieren. So muss in seinem neuesten Film ein Philosoph - sogar ein echter - aus dem Stegreif philosophieren. Das ist nicht mehr Schauspielerei im üblichen Sinne. Die Reaktionen der Spieler auf ihre filmische Umwelt sind spontan, natürlicher, realer. Darauf kommt es Godard an, darum montiert er in "Une femme est une femme" nur die "schlechtesten" Szenen. In "Ausser Atem" eliminiert er die unwesentlichen Dialogstellen erst beim Schnitt.

Dieser Mann ist ungewöhnlich. Seine Filme an den überkommenen moralischen und politischen Kategorien der Kritik zu messen, geht daneben. Das erfuhr auch die französische Zensurbehörde, die dies dennoch versuchte, und seinen zweiten Film "Le petit soldat" verbot, weil sie die moralische Aufweichung der Kampftruppe in Algerien fürchtete. Godard scheint solche Einwände vorausgesehen zu haben. Es spricht für seine politische Naivität, dass er den Plan vorher westdeutschen Verleihern vorlegte, die weder von FLN noch von OAS den geringsten Schimmer einer Ahnung hatten.

Jacques Siclier hat in seinem Aufsatz über die "Neue Welle" den Film "Ausser Atem" als das intellektuelle Manifest Godards bezeichnet. Wenn er aber in "Le petit soldat" das ideologische sieht, schlägt ihm Godard ein Schnippchen. Er übernimmt ein solches Regulativ nicht, er ist vollkommen unideologisch. Das widerspräche der Praxis des "acte gratuit", des Unberechenbaren.

Nicht vorauszusehen war für viele der dritte Film Godards "Une femme est une femme". Wenn "Ausser Atem" eine französische Spielart des Thrillers ist, kann man "Une femme" als Versuch werten, Spielarten des Musikals auf französische Verhältnisse zu übertragen. Er selbst hat ähnliches geäussert. Seine Story bezieht er aus Geneviève Clunys Idee, die auch de Broca zu seinen "Liebesspielen" verarbeitete, nachdem er Godards Szenario abgelehnt hatte. Man weiss nicht, warum Godard dieses Thema noch einmal verfilmt hat. Vielleicht haben ihn die Erfahrungen mit dem "Soldaten" wieder in die Geschlossenheit der Cahiers-Gruppe zurückgetrieben. Jedenfalls scheint der Film nur ein Beitrag zur internen Diskussion zu sein: Unbefugten ist der Zutritt verboten. Man möchte Anderschs These über die "Neue Welle" und über ihre politische Situation wiederaufnehmen: Eine kritische Auseinandersetzung mit den französischen Verhältnissen unter dem Titel "Blau-Weiss-Rot" lässt Godard fallen, sowie "Que viva America" (der Titel ist eine Hommage für Eisenstein), ein Sittenbild Amerikas.

Godard arbeitet augenblicklich an "Vivre sa vie". Ein neues Manifest? Wir warten auf Godard!
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Der Western von Jürgen Wilcke

Die Besucher der Wildwestfilme scheiden sich ganz allgemein gesprochen in zwei Kategorien: Die, die aus Liebe zum gefilmten Abenteuer und besonders zum Western ins Kino kommen und die spät Bekehrten, die erst durch gutes Zureden und nach Befragen sämtlicher Kritiken sich zögernd und immer noch zweifelnd den Film anschauen. Es wäre lächerlich, für die einen oder anderen zu sprechen. Die Filmkritik lobt übereinstimmend, und das wohl zu recht, die Wildwestfilme, die künstlerische Postulate erfüllten, wie "Johnny Guitar", "Bronco Apache", "The Notorious Rancher" oder "Red River" (zu bemerken ist, dass Werke wie "High Noon", "3.10 to Yuma" diese Voraussetzungen nachäfften, ohne sie wirklich zu erfüllen).

Frank Gruber, Schüler von Ernest Haycox und engagierter Vielschreiber - er hat, seitdem er 1934 mit dem Schreiben begann, über 500 Novellen und "Short stories" veröffentlicht - stellte sieben Themengruppen auf, um ein Westerndrehbuch anzufertigen.

Da ist als
1. Die "Union Pacific Story"
In diese Kategorie ordnen sich alle Geschichten, die in Verbindung mit dem Bau der Eisenbahn, der Telegraphenlinie oder mit dem Postwesen stehen. Die bekanntesten Beispiele sind Ernest Haycox' "Trouble Shooter" und Zane Greys "Union Pacific Trail", ein Roman, der 1936 unter dem Titel "Union Pacific" von Cecil B. de Mille verfilmt wurde.

2. Die "Ranch Story"
Geschichten, die das Problem der Viehzucht behandeln, Geschichten von Dieben und Ranchern, die sich mit den ansässigen Farmer, den "Nesters" auseinanderzusetzen haben, von Viehzüchtern gegen Hüter, typische Themen aus dem Lande der Rinderherden mit den Helden - den typischen Cowboys und Schurken. Eines der besten Beispiele ist "Shane".

3. Die "Empire Story"
In dieser dritten Gruppe finden sich oft gewisse Elemente aus 1 und 2 wieder. Hier agiert alles auf grösserer Ebene. Die Geschichten siedeln sich im hierarchisch geordneten "Imperium" einer grossen Ranch an. Die Personen dieses Themenkreises sind ausgeprägte Individualisten. Der Konflikt entsteht hier zwischen Mann und Mann oder an Einzelgängern und ihrer gesellschaftlichen Entwicklung. Eine "Boom town", eine Stadt mit geschäftlicher Blüte, Reibereien innerhalb einer Familiendynastie können das Problem bringen. Typisch für diese Art sind: "Duel in the Sun" und "The Broken Lance".

4. Die "Revenge Story"
Einem Menschen wurde Schlechtes zugefügt, und der Rächer bemüht sich Monate und Jahre den Täter zu verfolgen. Charakteristische Beispiele: "The Bravados" und, besser, Zane Grey's "Riders of the Purple Sage".

5. "Custer's last stand" oder auch die "Cavalry and Indian Story"
Einfache Schilderung der Geschichte der amerikanischen Kavallerie und der Indianer, selbst wenn sie nichts mit Custer, Sitting Bull und dem Little Big Horn zu tun hat. In diesem Genre trat seit dem Sommer 1953 eine Bewusstseinswandlung ein. Früher waren die Indianer die notorischen Übeltäter, heute ist es der Weisse. Der Indianer ist der Verfolgte, Betrogene, Getäuschte, durch die Weissen Misshandelte, die er tötet, um sich zu rächen. Die Erklärung hierfür ist, dass Repräsentantenkammer und Senat die "House Concurrent Resolution Nr. 108", die vorschlägt, den Indianern in den Territorien der USA vor dem Gesetz die gleichen Privilegien und die gleiche Verantwortung zu geben, akzeptierten. Dieser wichtige Entschluss gestand den Indianern nunmehr die Gleichheit der zivilen und moralischen Rechte wie auch die offizielle Anerkennung ihrer Würde als Volk zu und verbot es Hollywood, die Indianer erniedrigend darzustellen.

6. Die "Outlaw Story"
Unerschöpfliche Quelle für den "western". Kein Film über Jesse James oder Billy the Kid war bis jetzt ein finanzieller Misserfolg. Der Gesetzlose, sympathisch, wird durch die Gesellschaft, die Umstände und den Bürgerkrieg zum Banditentum gezwungen.

7. Die "Marshal Story"
Die Erzählung vom gesetzestreuen Sheriff wie Mat Dillon in "Gunsmoke"; wie Wyatt Earp einst in Dodge City (Kansas): exempliziert in "High Noon".

So schön, weil einfach, die Gruberschen Kategorien sein mögen, John Ford, Delmer Daves, John Sturges und Anthony Mann, die grossen Regisseure der "Western", arbeiten mit einer weitaus grösseren Skala an Möglichkeiten. Alle vier im Westen gebürtig, kennen sie ihre Materie auf das Genaueste. In den Oststaaten wirft man John Ford vor, er sei Rassenfeind, weil in seinen Filmen Diskriminierungen gezeigt werden. Aber in Arizona, in Neu-Mexiko gibt es nun einmal zahlreiche "Southerers", die Rassen verachten. Ihm, der selbst jahrelang als Cowboy arbeitete, kommt es nur darauf an, dokumentarisch die gesellschaftliche Realität zu zeigen. So wurde auch sein bester Film "Wagonmaster" in England viel diskutiert, in Oxford und Cambridge erklärte Ford dieses Werk in Gastvorlesungen. Ford gehört zu den Erzählern mit fruchtbaren Ideen, die er leicht und einfach ins Bild umsetzt. Er sucht nichts anderes als eine persönliche Befriedigung, die er findet, wenn er einen Western dreht, dessen Personen nur, wie J. Sturges es sagt, "treue Spiegelbilder seines eigenen Charakters sind".

Ähnlich Delmer Daves. 1925 gab er sein Jurastudium auf, da ihn die Prairie mehr interessierte. Er verbrachte mehrere Monate bei den Hopis in Hotivilla und bei den White Mountains Apachen. Als er 1950 mit "Broken Arrow" seinen ersten Western drehte, wirkten diese Apachen mit.

Interessant ist die Entstehung des Filmes "3 Uhr 10 to Yuma". Daves entdeckte die Vorlage, die aus den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts stammt, beim Stöbern in den Annalen einer kleinen Stadt im Westen. Er fasste den Entschluss, diese Geschichte zu verfilmen. Als der Film fertig war, fand ihn John Sturges so gut, dass er die Geschichte adopierte und daraus "The last train from Gun Hill" drehte. Daves ist nicht, wie so viele, für die der Western eine Ausgangsbasis zum Filmschaffen ist, bei der ersten Stufe stehengeblieben, sondern er inszenierte seine Filme aus Überzeugung und Liebe zum Westen. Die Frage des Menschen, des von Gestern wie von Heute, reizt ihn, und seine Position innerhalb der Pioniergesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Der dritte Grosse des Western, John Sturges, als seine besten Filme betrachtet er "Fort Bravo", "The last train from Gun Hill", und Jack Wade, versuchte den Wildwestfilm zu intellektualisieren. Er lässt seine Personen ihre Handlungen abwägen und auf intellektuellen Wege zur Aktion kommen.

Sturges ist der Western Regisseur mit dem geringsten historischen Bewusstsein. In seinem letzten Film "The magnificent Seven" kopiert er bis ins Kleinste Kurosawos "Die sieben Samurai". Diese Adaption eines Geschehens, das zwar menschlich seine Komponenten aus einer Geisteshaltung heraus definiert, die dem "Westerner" fremd ist, weckt im Betrachter die Frage, inwieweit es Sturges überhaupt um die Darstellung eines spezifischen Westerngeschehens geht oder nur um die Schilderung eines konkreten gesellschaftlichen Zustandes im Gewand des Western.
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Institution und Institutionelles Barbara Reischel

Das "Institut Des Hautes Etudes Cinématographiques" (I.D.H.E.C.) in Paris ist eine Hochschule für Filmtechnik und Filmästhetik. Ihr Ziel ist die Ausbildung ihrer Studenten zu Fachkräften, vor allem Technikern, für Film und Fernsehen. Das I.D.H.E.C. besteht seit 17 Jahren. In dieser Zeit haben mehr als tausend Studenten die Schule besucht. Jedes Jahr zählt sie 80-90 Schüler aus etwa 30 Ländern. Das I.D.H.E.C. besitzt sein wohl einziges gleichwertiges Pendant im IIEC in Madrid, wobei in noch ungefähr 15 Ländern ähnliche Schulen existieren.

Die Berufe, zu denen das I.D.H.E.C. ausbildet, sind: Drehbuchautor, Regisseur, Produzent, Kameramann, Bühnenbildner und Filmarchitekt, Tontechniker, Script-girl und Cutter. Für die eigenen Dreharbeiten werden Maskenbildner- und Schauspielschüler hinzugezogen. Den Unterricht erteilen Fachleute mit zum Teil bekannten Namen, die zumeist selbst aus der Praxis kommen. Zum Besuch des I.D.H.E.C. muss eine Aufnahmeprüfung abgelegt werden (Höchstalter der Bewerber 25 Jahre). Für die französischen Studenten ist der Unterricht frei, Ausländer zahlen 120 NF im Monat.

Die Ausbildung umfasst zwei Jahre, an die sich ein Praktikum anschliesst. Das Programm besteht zu etwa gleichen Teilen aus theoretischem und praktischem Unterricht, wobei das erste Jahr mit Theorie beginnt und mit praktischen Übungen (u. a. 16-mm-Stummfilm) endet. Nach einer Prüfung, schliesst sich das zweite Jahr an. Es enthält im Grunde dieselbe Theorie noch einmal, allerdings diesmal komplizierter dargestellt, weil die praktischen Erfahrungen des ersten Jahres verwertet werden. Den Höhepunkt der praktisehen Arbeit des zweiten Jahres stellt ein 35-mm-Spielfilm dar. Es folgt ein schwieriges schriftliches und mündliches Abschlussexamen, zu dessen Prüfungsfächern Komposition eines Films, Filmanalyse, Filmästhetik, Kritik, Soziologie, Psychologie, Literatur, Geschichte, Kunst-, Schauspiel- und Filmgeschichte, Naturwissenschaften, Film- und Fernsehtechnik sowie Verwaltungs- und Finanzierungsfragen gehören. Für die rein technischen Berufe sieht der Plan etwas anders aus.

In den zwei Jahren ihrer Ausbildung steht den Schülern alles Notwendige zur Verfügung. Sie haben ein Fotoatelier, einen Projektionssaal, ein Zeichenatelier, schalldichte Aufnahmeräume, Mischpult, Schneidetische und alle anderen technischen Geräte. Das Heiligtum ist das Atelier mit Scheinwerfern, Kamera und den übrigen technischen Bedingungen, die sie später im Beruf vorfinden. Hier werden die selbstgeschriebenen, selbstausgestatteten und selbstgespielten 35-mm-Filme gedreht.

Den Studenten steht ausserdem eine Bibliothek zur Verfügung, die über 4000 Bände enthält, dazu die wichtigsten in- und ausländischen Filmzeitschriften, ein Archiv und die bekannten Filmanalysen des I.D.H.E.C. Wenn man die Schule betritt, hat man nicht etwa den Eindruck von Boheme, wie man ihn mit dem Film zu verbinden geneigt sein könnte, sondern man spürt sofort Nüchternheit und Emsigkeit. Das bestätigen auch die Studenten. Das Reglement sei aussergewöhnlich streng. Unentschuldigtes Fehlen z. B. werde nicht geduldet. Unterrichtet wird auch am Samstag. In diesem Unterricht spielt die Technik die bestimmende Rolle. Die Studenten sagten uns, dass ihnen die beiden Jahre vollauf zu genügen schienen.

Diese Atmosphäre erweckt den Eindruck, dass die Studenten den ersten Teil der schweigenden Devise "ein Filmmann wird als Künstler geboren und muss sich zum Techniker ausbilden" völlig vergessen. Sie wiederum kritisierten leise viele Kommilitonen aus den unterentwickelten Ländern, die von ihren Regierungen nur geschickt werden, um den Umgang mit der Technik zu lernen, und die sich für das weitere oft gar nicht interessierten.

Die Studenten haben die ziemlich garantierte Aussicht auf einen guten Posten, und sie sind sich der Fama der Schule vollauf bewusst. Vielleicht resultiert hieraus die leichte Arroganz, die in diesem Hause bisweilen zutage tritt.

Für die nahe Zukunft ist eine räumliche Erweiterung der Schule vorgesehen.

Hand in Hand mit den neuen Möglichkeiten geht ein neuer Plan: man möchte die Ausbildungszeit auf drei Jahre verlängern. Das erste Jahr soll - sehr vereinfacht gesagt - etwas populärfilmwissenschaftlich gestaltet werden. Es soll vor allem jene ansprechen, die als Erzieher oder in der Volksbildung usw. mit dem Film zu tun haben werden. Hingegen sollen jene, die später eine rein filmische Laufbahn verfolgen wollen, noch einmal ihren Vorsatz überprüfen können. Ihre Spezialausbildung würde dann in den nächsten beiden Jahren folgen. Dieser Plan scheint vielen in dieser Form sehr diskutabel.
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Der Ersatz für die Träume Hugo von Hofmannsthal

Was die Leute im Kino suchen, sagte mein Freund, mit dem ich auf dieses Thema kam, was alle die arbeitenden Leute im Kino suchen, ist der Ersatz für die Träume. Sie wollen ihre Phantasie mit Bildern füllen, starken Bildern, in denen sich Lebensessenz zusammenfasst; die gleichsam aus dem Innern des Schauenden gebildet sind und ihm an die Nieren gehen. Denn solche Bilder bleibt ihnen das Leben schuldig. - (Ich rede von denen, die in den Städten oder grossen zusammenhängenden Industriebezirken wohnen, nicht von den andern, den Bauern, den Schiffern, Waldarbeitern oder Bergbewohnern.) - Ihre Köpfe sind leer, nicht von Natur aus, eher durch das Leben, das die Gesellschaft sie zu führen zwingt. Da sind diese Anhäufungen von kohlengeschwärzten Industrieorten, mit nichts als einem Streifchen von verdorrtem Wiesengras zwischen ihnen, und den Kindern, die da aufwachsen, von denen unter sechstausend nicht eines im Leben eine Eule gesehen hatte oder ein Eichhörnchen oder eine Quelle, da sind unsere Städte, diese endlosen einander durchkreuzenden Häuserzeilen; die Häuser sehen einander ähnlich, sie haben eine kleine Tür und Streifen von gleichförmigen Fenstern, unten sind die Läden; nichts redet zu dem, der vorüberkommt, oder der ein Haus sucht: das einzige, was spricht, ist die Nummer. So ist die Fabrik, der Arbeitssaal, die Maschine, das Amt, wo man Steuer zahlen oder sich melden muss: nichts davon bleibt haften als die Nummer.

Da ist der Werktag: die Routine des Fabriklebens oder des Handwerks; die paar Handgriffe, immer die gleichen; das gleiche Hämmern oder Schwingen oder Feilen oder Drehen; und zuhause wieder: der Gaskocher, der eiserne Ofen, die paar Geräte und kleinen Maschinen, von denen man abhängt, auch das durch Übung so zu bewältigen, dass schliesslich der, der sie immer wieder bewältigt, selber zur Maschine wird, ein Werkzeug unter Werkzeugen. Davor flüchten sie zu unzähligen Hunderttausenden in den finsteren Saal mit den beweglichen Bildern. Dass diese Bilder stumm sind, ist ein Reiz mehr; sie sind stumm wie Träume. Und im Tiefsten, ohne es zu wissen, fürchten diese Leute die Sprache; sie fürchten in der Sprache das Werkzeug der Gesellschaft. Der Vortragssaal ist neben dem Kino, das Versammlungslokal ist eine Gasse weiter, aber sie haben nicht diese Gewalt. Der Eingang zum Kino zieht mit einer Gewalt die Schritte der Menschen an sich, wie - wie die Branntweinschänke: und doch ist es etwas anderes. Über dem Vortragssaal steht mit goldenen Buchstaben: "Wissen ist Macht", aber das Kino ruft stärker: es ruft mit Bildern. Die Macht, die ihnen durch das Wissen vermittelt wird, - irgend etwas ist ihnen unvertraut an dieser Macht, nicht ganz überzeugend; beinahe verdächtig. Sie fühlen, das führt nur tiefer hinein in die Maschinerie und immer weiter vom eigentlichen Leben weg, von dem, wovon ihre Sinne und ein tieferes Geheimnis, das unter den Sinnen schwingt, ihnen sagt, dass es das eigentliche Leben ist. Das Wissen, die Bildung, die Erkenntnis der Zusammenhänge, all dies lockert vielleicht die Fessel, die sie um ihre Hände geschlungen fühlen, - lockert sie vielleicht - für den Moment - zum Schein - um sie dann vielleicht noch fester zusammenzuziehen. All dies führt vielleicht zu neuer Verkettung, noch tieferer Knechtschaft. (Ich sage nicht, dass sie dies sagen; aber eine Stimme sagt es in ihnen ganz leise.) Und ihr Inneres würde bei alledem leer bleiben. (Auch dies sagen sie sich, ohne es sich zu sagen.)

Die eigentümliche fade Leere der Realität, die Öde - die, aus der auch der Branntwein herausführt -, die wenigen Vorstellungen, die im Leeren hängen, all dies wird nicht wirklich geheilt durch das, was der Vortragssaal bietet. Auch die Schlagworte der Parteiversammlung, die Spalten der Zeitung, die täglich daliegt - auch hierin ist nichts, was die Öde des Daseins wirklich aufhöbe. Diese Sprache der Gebildeten und Halbgebildeten, ob gesprochen oder geschrieben, sie ist etwas Fremdes. Sie kräuselt die Oberfläche, aber sie weckt nicht, was in der Tiefe schlummert. Es ist zuviel von der Algebra in dieser Sprache, jeder Buchstabe bedeckt wieder eine Ziffer, die Ziffer ist die Verkürzung für eine Wirklichkeit, all dies deutet von fern auf irgend etwas hin, auch auf Macht, auf Macht sogar, an der man irgendwelchen Anteil hat; aber dies alles ist zu indirekt, die Verknüpfungen sind zu unsinnlich, dies hebt den Geist nicht wirklich auf, trägt ihn nicht irgendwo hin. All dies lässt eher eine Verzagtheit zurück, und wieder dies Gefühl, der ohnmächtige Teil einer Maschine zu sein, und sie kennen alle eine andere Macht, eine wirkliche, die einzige wirkliche: die der Träume. Sie waren Kinder, und damals waren sie mächtige Wesen. Da waren Träume, nachts, aber sie waren nicht auf die Nacht beschränkt; sie waren auch bei Tag da, waren überall: eine dunkle Ecke, ein Anhauch der Luft, das Gesicht eines Tiers, das Schlürfen eines fremden Schrittes genügte, um ihre fortwährende Gegenwart fühlbar zu machen.

Da war der dunkle Raum hinter der Kellerstiege, ein altes Fass im Hof, halbvoll mit Regenwasser, eine Kiste mit Gerumpel; da war die Tür zu einem Magazin, die Bodentür, die Tür zur Nachbarswohnung, durch die jemand herauskam, vor dem man sich ängstlich vorbeiduckte, oder ein schönes Wesen, das den süssen undefinierbaren Schauder der ahnenden Begierde tief in die dunklen bebenden Tiefen des Herzens hineinwarf - und nun ist es wieder eine Kiste mit zauberhaftem Gerumpel, die sich auftut: das Kino. Da liegt alles offen da, was sich sonst hinter den kalten undurchsichtigen Fassaden der endlosen Häuser verbirgt, da gehen alle Türen auf, in die Stuben der Reichen, in das Zimmer des jungen Mädchens, in die Halle der Hotels; in den Schlupfwinkel des Diebes, in die Werkstatt des Alchimisten. Es ist die Fahrt durch die Luft mit dem Teufel Asmodi, der alle Dächer abdeckt, alle Geheimnisse freilegt. Aber es ist nicht bloss die Beschwichtigung der quälenden, so oft enttäuschten Neugier: wie beim Träumenden ist hier einem geheimeren Trieb seine Stillung bereitet: Träume sind Taten, unwillkürlich mischt sich in dies schrankenlose Schauen ein süsser Selbstbetrug, es ist wie ein Schalten und Walten mit diesen stummen, dienstbar vorüberhastenden Bildern, ein Schalten und Walten mit ganzen Existenzen. Die Landschaft, Haus und Park, Wald und Hafen, die hinter den Gestalten vorüberweht, macht nur eine Art von dumpfer Musik dazu - aufrührend weiss Gott was an Sehnsucht und Überhebung, in der dunklen Region, in die kein geschriebenes und gesprochenes Wort hinabdringt - auf dem Film aber fliegt indessen in zerrissenen Fetzen eine ganze Literatur vorbei, nein, ein ganzes Wirrsal von Literaturen, der Gestaltenrest von Tausenden von Dramen, Romanen, Kriminalgeschichten; die historischen Anekdoten, die Halluzinationen der Geisterseher, die Berichte der Abenteurer; aber zugleich schöne Wesen und durchsichtige Gebärden; Mienen und Blicke, aus denen die ganze Seele hervorbricht.

Sie leben und leiden, ringen und vergehen vor den Augen des Träumenden; und der Träumende weiss, dass er wach ist; er braucht nichts von sich draussen zu lassen; mit allem, was in ihm ist, bis in die geheimste Falte, starrt er auf dieses flimmernde Lebensrad, das sich ewig dreht. Es ist der ganze Mensch, der sich diesem Schauspiel hingibt; nicht ein einziger Traum aus der zartesten Kindheit, der nicht mit in Schwingung geriete. Denn wir haben unsere Träume nur zum Schein vergessen. Von jedem einzelnen von ihnen, auch von denen, die wir beim Erwachen schon verloren hatten, bleibt ein Etwas in uns, eine leise aber entscheidende Färbung unserer Affekte, es bleiben die Gewohnheiten des Traumes, in denen der ganze Mensch ist, mehr als in den Gewohnheiten des Lebens, all die unterdrückten Besessenheiten, in denen die Stärke und Besonderheit des Individuums sich nach innen zu auslebt. Diese ganze unterirdische Vegetation bebt mit bis in ihren dunkelsten Wurzelgrund, während die Augen von dem flimmernden Film das tausendfältige Bild des Lebens ablesen. Ja dieser dunkle Wurzelgrund des Lebens, er, die Region wo das Individuum aufhört Individuum zu sein, er, den so selten ein Wort erreicht, kaum das Wort des Gebetes oder das Gestammel der Liebe, er bebt mit. Von ihm aber geht das geheimste und tiefste aller Lebensgefühle aus: die Ahnung der Unzerstörbarkeit, der Glaube der Notwendigkeit und die Verachtung des bloss Wirklichen, das nur zufällig da ist. Von ihm, wenn er einmal in Schwingung gerät, geht das aus, was wir die Gewalt der Mythenbildung nennen. Vor diesem dunklen Blick aus der Tiefe des Wesens entsteht blitzartig das Symbol: das sinnliche Bild für geistige Wahrheit, die der ratio unerreichbar ist.

Ich weiss, schloss mein Freund, dass es sehr verschiedene Weisen gibt, diese Dinge zu betrachten. Und ich weiss, es gibt eine Weise, sie zu sehen, die legitim ist von einem anderen Standpunkte aus, und die nichts anderes in alledem sieht als ein klägliches Wirrsal aus industriellen Begehrlichkeiten, der Allmacht der Technik, der Herabwürdigung des Geistigen und der dumpfen, auf jeden Weg zu lockenden Neugierde. Mir aber scheint die Atmosphäre des Kinos die einzige Atmosphäre, in welcher die Menschen unserer Zeit - diejenigen welche die Masse bilden - zu einem ungeheuren, wenn auch sonderbar zugerichteten geistigen Erbe in ein ganz unmittelbares, ganz hemmungsloses Verhältnis treten, Leben zu Leben, und der vollgepfropfte halbdunkle Raum mit den vorbeiflirrenden Bildern ist mir, ich kann es nicht anders sagen, beinahe ehrwürdig, als die Stätte, wo die Seelen in einem dunklen Selbsterhaltungsdrange hinflüchteten, von der Ziffer zur Vision.

Wir entnahmen den Text von Hugo von Hofmannsthal "Der Ersatz für die Träume" der Gesamtausgabe der Werke Hugo von Hofmannsthals, die im Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main, erschienen ist. Wir danken dem S. Fischer Verlag für die freundliche Erteilung der Abdruckerlaubnis.
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Anmerkungen

Das FILMSTUDIO an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, wird Anfang Juli eine umfassende Bibliographie über das Filmschrifttum seit 1940 vorlegen, die auch unveröffentlichte Werke enthält, allerdings keine Aufzählung von Zeitungsartikeln.
Dieser Band, der etwa 100 Seiten umfassen wird, ist als Anschlussband an die grosse Bibliographie von Traub-Lavies "Das deutsche Filmschrifttum" gedacht, die eine genaue Aufzählung der Filmliteratur bis 1940 enthielt.
Der Preis wird voraussichtlich DM2.- betragen. Bestellungen an: FILMSTUDIO in Frankfurt am Main, Mertonstr. 26-28.


Dass es in den "Sozialistischen Ländern" um die künstlerische Filmproduktion ebenso mediocre-rückschrittlich bestellt sei wie bei uns, wo Papas kleinbürgerliches Kino, im Zeichen des staatsparteilichen Slogans: "Nur keine Experimente", aus seinem jahrelangen Siechtum alle Jahre wieder Profit schlägt: über dieses selbstgefällige Vorurteil sollte uns die Bekanntschaft mit Filmen aus Polen, der UdSSR, der DDR, der CSSR aufgeklärt haben.

Dass aber auch auf filmtechnischen Gebiet von dorther wesentliche Impulse zu erwarten sind, das wird unser Bericht von Wolfram Schütte im nächsten Heft zu erweisen suchen, der sich mit dem Prager Experiment der Laterna Magica befassen wird.


Rückumschlag

Die Frage, ob ein Leitartikel oder ein Film von Mut zeugt, ist falsch gestellt. Sie zeigt ein gestörtes Verhältnis zur Kritik an, wie es allerdings in Deutschland herkömmlich ist. Nur in einer Diktatur ist Todesmut erforderlich, um etwas Richtiges zu sagen. Mit dem Gratismut verhält es sich wie mit der Gratisangst; wer darunter leidet, hat noch nicht begriffen, dass wir in einem demokratischen Lande leben ... Bis heute ist keiner im Gefängnis gelandet, bis heute winkt keinem das Hungertuch als Lohn für unbotmässige Reden. Wer sie hält oder publiziert, fliegt höchstens aus seiner Zeitung, kriegt ein paar anonyme Briefe ins Haus und muss von Zeit zu Zeit einmal umziehen. Das ist kein allzu hoher Preis für den Spass, den sein Beruf ihm machen kann.       Hans Magnus Enzensberger
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Anmerkung der Redaktion:
Die im vorliegenden Heft abgedruckten Betrachtungen zu den Filmen, die das FILMSTUDIO im Sommersemester zeigen wird, sind unserer Meinung nach weniger als Kritik denn als Information zu werten. Wir entnahmen sie der Filmkritik (Fk), der Frankfurter Allgemeinen (FAZ), Der Welt (W), Der Tat, Evangel. Filmbeobachter (EFB), Filmstudio (Fst).

Lohn der Angst (Le salaire de la peur)
Produktion: Filmsonor - C.I.C.C./Paris, Vera Film - Fono Roma, 1953; Regie und Drehbuch: Henri-Georges Clouzot nach dem Roman von Georges Arnaud; Kamera: Armand Thirard; Musik: Georges Auric; Bauten: René Renoux; Darsteller: Yves Montand, Charles Vanel, Vera Clouzot, Folco Lulli, Peter van Eyck.
Henri-Georges Clouzot, der heute in Frankreich als der ausgesprochenste Vertreter des "film noir" gilt, hat als Drehbuchautor und Regisseur aus einem primitiven literarischen Vorwurf, dem in jeder Beziehung schwachen Roman "Le salaire de la peur" von Georges Arnaud, einen "künstlerischen Edelreisser" (Heinz J. Furian in "Cinéaste") höchster Vollendung geschaffen. Wir haben hier einen jener seltenen Fälle, dass der Film wertvoller ist als die literarische Vorlage. Er erhielt den "Grand Prix" der Internationalen Filmfestspiele Cannes 1953.
Die Konstruktion, der dramaturgische Aufbau des Films, ignoriert die herkömmlichen Gesetze der Dramaturgie. Eine Tatsache, die immer von französischen Kritikern bemängelt wurde. Der Film setzt sich aus zwei verschiedenartigen Teilen zusammen, die jedoch eng miteinander verknüpft sind: der breiten Exposition, die über ein Drittel des gesamten Filmes in Anspruch nimmt, und dem Hauptteil, der eigentlichen Handlung mit der Fahrt der Lastwagen.       Fst
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Ausser Atem (A bout de souffle)
Frankreich 1960 - Produktion: Beauredard - Regie: Jean-Luc Godard; Buch: Jean-Luc Godard, nach einer Idee von Franpois Truffaut; Kamera: Raoul Coutard; Darsteller: Jean-Paul Belmondo, Jean Seberg.
Die "Neue Welle", soviel steht jetzt fest, war keine Tagessensation, die am nächsten Tag wieder vergessen sein würde. Nach Chabrol, Resnais und Truffaut haben sich Pierre Kast mit "Le Bel Age", Jacques Doniol-Valcroze mit "L' eau à la bouche" und mit diesem Film Jean-Luc Godard zu Wort gemeldet - und noch stehen die Premieren von Eric Rohmers "Le Signe du Lion", Jacques Rivettes "Paris nous appartient" und Jean-Daniel Pollets "La Ligne de mire" bevor - um nur die wichtigsten Namen zu nennen.
Mit "A bout de souffle" hat der 29-jährige Jean-Luc Godard - wie Truffaut, Chabrol, Doniol-Valcroze, Rohmer und Rivette ein ständiger Mitarbeiter der "Cahiers du Cinéma", sich in die vorderste Reihe der jungen Regisseurgeneration gespielt. In einer Rangfolge des "jeune cinéma" würde sein Film - hinter Resnais' "Hiroshima" und Truffauts "400 coups" - den dritten Platz verdienen.
Die Story ist denkbar simpel: Michel (Belmondo), ein Autodieb von rüden Manieren, ist auf der Fahrt mit einem gestohlenen Wagen von einem Polizisten gestellt worden und hat diesen kurzerhand erschossen. In Paris trifft er seine amerikanische Freundin Patricia (Seberg) wieder, umwirbt sie und schläft mit ihr. Schliesslich verrät Patricia ihn der Polizei, warnt ihn aber, damit er verschwinden kann. Zu spät indessen macht er sich auf den Weg, die Polizei stellt ihn und - im Glauben, dass er sich mit seinem Revolver verteidigen wolle - erschiesst ihn.
Godard - wie die meisten "Cahiers"-Kritiker - bewundert den amerikanischen Film; davon zeugt sein Erstling in der Thematik ebenso wie in der Form. Dennoch bleibt er keineswegs im Epigonentum stecken: das "klassische" Schema des Gangsterfilms wird ausgefüllt mit der Darstellung eines Liebesverhältnisses, die alle Klischees sprengt, und die filmische "Erschliessung" von Paris, die der Film leistet, lässt alle verwandten Bemühungen des amerikaschen Films um authentischen "Hintergrund" weit hinter sich.
"A bout de souffle" ist wohl der erste Film, der aktuelle Erscheinungsformen in den Liebesbeziehungen von Jugendlichen ohne Scheu - aber auch ohne die peinliche Attitüde der "schrankenlosen Offenheit" - demonstriert. Die Freimütigkeit in den Äusserungen der beiden jungen Liebenden lässt dennoch durchaus an den Ernst ihrer Liebe glauben - dank einer Darstellung, die nichts verbirgt und nichts entblösst. Eine überaus bewegliche Kamera und eine mit verblüffenden Ellipsen arbeitende Montage, die jedem Routinier die Haare zu Berge treiben würde, kondensiert die Realität - wie sie sich Michel und Patricia darstellt - auf ihre Essenz.
Wie die Filme von Truffaut und Chabrol, so gibt auch dieser keinen Kommentar zu der Realität, die er darstellt. Aber gerade, dass er sich so bedingungslos an sie hingibt, ermöglicht vielleicht erst ihre "Entdeckung" - die Interpretation ist der zweite Schritt.       P. (Fk)
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Der Hauptmann von Köpenick
Produktion: Roto, Deutschland, 1931; Regie: Richard Oswald; Buch: Carl Zuckmayer und Albrecht Joseph, nach dem gleichnamigen Theaterstück von Carl Zuckmayer; Kamera: Ewald Daub; Darsteller: Max Adalbert, Käthe Haack, Friedrich Kayssler, Max Gülstorff.
Dieser Film behandelt in seiner etwas unentschiedenen Mischung aus Lustspiel und Satire das Schicksal des berühmten und berüchtigten Schusters Wilhelm Voigt, der 1906 der ganzen Welt ein Beispiel von der Absurdität des preussischen Militarismus gab.
33 Jahre hat der Schuster Voigt im Zuchthaus gesessen, bis er endlich wieder ein freier Mann ist. Aber ohne Pass ist die Freiheit im Lande Wilhelms II. (,Am deutschen Wesen _...') nichts wert. Durch einen seltenen Geniestreich setzt er mit Hilfe eines alten Hauptmannsmantels im Rathaus von Köpenick in den Besitz der Macht und eines Passes zur Ausreise aus Preussen. Selbst der Kaiser soll damals über diesen Streich gelacht haben. Sein Volk lernte darüber das Weinen.
Dieser Streifen ist filmische Offenbarung. Seine Kameraführung, die Aufnahme des spiesserhaften Bürokraten, der Blick von unten herauf, die Kamera sieht mit dem skeptischen Blick der Subalternität -, die Schnittmontagen - wie schnitt man damals in den mechanischen Ablauf einer zackigen Wachtparade Szenen letzter menschlicher Verzweiflung hinein - und die Gestaltung der Kulissen, wunderbare Zeichnung der wilhelminischen Grossmannsära, weisen eine stilistische Geschlossenheit auf, die manche Nachkriegsavantgardistereien vermissen lassen.
Das Wiedersehen mit Max Adalbert in der Rolle des alten, vom Leben enttäuschten Schusters, mit Max Gülstorff und Friedrich Kayssler gibt dem Zuschauer ein Bild deutscher Schauspielkunst, die lange tot ist.       cc
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Ein Herz und eine Krone (Roman Holiday)
Regie: William Wyler, 1953; Buch: Jan McLellan Hunter und John Dighton; Kamera: Frank Planer und Henri Alekan; Musik: Georges Auric; Darsteller: Audrey Hepburn, Gregory Peck, Eddie Albert.
Die alte Geschichte von der Prinzessin und dem armen Zivilisten, die zusammen nicht kommen können. Da der Regisseur William Wyler genial ist, darf er, was andern zum Verhängnis würde, er mischt Dokumentares mit Operette; seine Bühnenfiguren vor den echten Ruinen Roms ergeben einen Schwebezustand zwischen Parfüm und Ruch, der reizend ist und das Publikum zu Beifall auf offener Leinwand hinreisst.
Worauf hinzuweisen ist: Wenn der Filmamerikaner naiv ist, ist er's poetischer als wir. Dieser amerikanische Film hat mehr Herzlichkeit als alle Filme Austrias zusammen, mehr taktvolle Ironie als die deutschen Lustspielfilme. Der Krampfhaftigkeit des heitern Films unseres Kontinents gelingt der Ton des verhaltenen Humors nicht mehr. Wir bilden uns auf die Haute Couture unseres Ernstes so viel ein, dass wir in der Konfektion des Heitern wursteln zu dürfen glauben _... während die Amerikaner, die auf Tiefe nicht spezialisiert sind, das Heitere dafür um so ernster nehmen, Sie haben im Spasshaften Distinktion. Sie sind von aparter Lustigkeit. Ihr Lächeln hat eine vornehme Melancholie. In diesem Film gibt es eine Kussszene, zwischen Träne und Lachen; sie ist mehr keusche Entarmung als gierige Umarmung. Die Nachtszene, man zeige uns einen Film mit spröderer Erotik. Der amerikanische Journalist verbringt mit der ihrer Hofetikette entlaufenen Thronerbin zwei römische Tage und Nächte. Er wird darüber einen guthonorierten Artikel schreiben. Aber die Liebe ist stärker als die journalistische Sensation. Dieser Wechsel vom Honorar zur Liebe hat Zwischentöne, die nur einem Darsteller vom Nuancenreichtum Gregory Pecks gelingen.
Aber den Film trägt Audrey Hepburn. Während auf der Bühne eine gute Darstellerin die Rolle ausfüllt, trägt in diesem Film die Darstellerin einen Charme in die Rolle hinein, der grösser ist als der vom Autor vorgesehene. Die Hepburn bringt nicht nur Talent, sondern sich selber mit, das heisst ein Girl mit Melancholie, ein Frauenmädchen, eine Mädchenfrau, eine Spitzbubenwehmut. Eine Frigidität von unendlicher Wärme. Die Unverbrauchtheit einer Darstellerin kann an nichts besser abgelesen werden als an den Augen. Auf der Bühne kann Mimik über Parkett und Orchester hinweg nach allen Kanten bluffen, vor der Kamera, der unerbittlich nahen, aber sehen wir mitten ins Auge hinein. Und dieses Auge der Hepburn hat Zwischentöne und Doppelschichten.
Man betrachte das Publikum nach der Aufführung dieses süperben Films: das Tränentüchlein am lachenden Auge.       Edwin Arnet
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Das Loch (Le trou)
Frankreich 1960 - Regie: Jacques Becker; Buch: nach dem Buch von José Giovanni; Darsteller: Raymond Maunier, Philippe Bancel, Jean Keraudy, Michel Constantin, Eddy Rasiml.
In seinem letzten, an den Champs-Elysées posthum uraufgeführten Film hat sich Jacques Becker ganz auf sein Lieblingsthema konzentriert: die intimen menschlichen Beziehungen innerhalb einer Gruppe. Wie in dem zwanzig Jahre alten "Goupi Mains Rouges" demonstriert er das Wirken der Solidarität, der Freundschaft - und des Verrats.

Die Gruppe ist hier eine Zellengemeinschaft von Schwerverbrechern, die einen Ausbruch vorbereiten. An der Vergangenheit der Helden zeigt sich Becker nur so weit interessiert, wie sie in die Gegenwart hineingreift - Becker selbst hat einmal in einem Interview mit den "Cahiers du Cinéma" (Februar 1954) bekannt: "Ich habe mich nie besonders für Geschichten interessieren können, deren Helden Verbrecher sind; ich habe kein Interesse am Aussergewöhnlichen _..." Die Verbrecher erscheinen denn auch so sehr als Durchschnittsmenschen, dass man ihnen ihre Taten kaum mehr zutraut. Was Becker interessiert, ist die Freundschaft, die diese Männer in ihrem gemeinsamen Bemühen, dem Ausbruchsversuch, verbindet. (Das absolute Gegenteil dieses Films ist Clouzots "Lohn der Angst"). Die Hauptfigur ist ein verwöhnter Junge aus Neuilly, der zu unrecht verurteilt worden ist, aber keine Hoffnung auf legale Befreiung sieht; er beteiligt sich an dem Unternehmen und lernt hier, wie er gesteht, zum erstenmal das Gefühl der Freundschaft kennen. Er bleibt aber das schwächste Glied der Gemeinschaft: als ihm die Wiederaufnahme seines Verfahrens und der Freispruch winken, verrät er, um seine legale Gesinnung zu beweisen, das Vorhaben seiner Freunde.

Mit der liebevollen Akribie, die er einst den häuslichen Verrichtungen der Goupis widmete, beschreibt Becker hier die Vorbereitung des Ausbruchs. Kein Zwischenglied überspringt er, dem Zuschauer wird zugemutet, dem Zersägen von Gitterstäben, dem Durchbrechen eines Fussbodens und den anderen Details des Ausbruchs fast lückenlos beizuwohnen. Gerade aus dieser Ausführlichkeit resultiert aber das Vergnügen, das der Film bereitet: es rührt nicht aus dem erhofften Erfolg des Unternehmens, sondern aus der vollendeten Ausführung, in der sich die Solidarität der Gefangenen bewährt. Die erfolglosen Ausbrecher erscheinen am Ende auch als die wahren Sieger gegenüber dem Verräter, wenn diesem auch die Freiheit winkt.       E. P.
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Der Florentiner Hut
Produktion: Terra, Deutschland (1939); Regie: Wolfgang Liebeneiner; Buch: Bernd Hofmann und Horst Budjuhn nach der gleichnamigen Komödie von E. Labiche; Kamera: Carl Hoffmann, Karl Löb; Musik: Michael Jary; Darsteller: Heinz Rühmann, Christi Mardayn, Paul Henkels, Viktor Janson, Hubert von Meyerink.
Man kann in der Filmgeschichte immer wieder feststellen, dass in den Zeiten politischen Zwanges schöpferische Regisseure ihre besten Leistungen auf dem Gebiet des Lustspiels zeigten. In Italien war es Mario Camerini, der unter der Herrschaft Mussolinis durch das Lustspiel dem totgesagten italienischen Film wieder Weltgeltung verschaffte, in Frankreich kann man aus der Zeit der deutschen Besetzung ähnliche Parallelen finden (Marcel Carné: Les enfants du paradis). Auch in Deutschland taten einige Regisseure - stofflich nicht selten aus Frankreich angeregt - mit dem Filmlustspiel manchen guten Griff. Willi Forsts "Bel ami" nach Maupassant haben die meisten von uns noch in guter Erinnerung.

"Der Florentiner Hut" folgt einem Bühnenstück und hatte in "Le chapeau de paille d' Italie" von René Clair einen grossen Vorgänger, demgegenüber er sein Daseinsrecht behaupten musste. Die Vorlage wurde einigen geschickten operativen Eingriffen ausgesetzt, ihr Charakter mit kühner Phantasie frisiert - was dabei herauskam, ist taufrisch und originell wie nur irgendein Film. Unter der leitenden Hand Liebeneiners formte sich nicht eines der albernen Lustspielchen, die in grosser Zahl die Leinwand bevölkern, sondern etwas Einzigartiges, vorher und nachher bei uns nicht Dagewesenes: Die deutsche Filmgroteske par excellence. Die Groteske als subtile Kunst: das ist "Der Florentiner Hut". Die Handlung ist in deutsche Lande verlegt - dass sie in die deutsche Mentalität verlegt ist, kann man nicht sagen.

Der Film hatte einen ähnlich geringen Erfolg wie "Napoleon ist an allem schuld" von Curt Götz, - diesem verdarb der geistreiche Dialog den Erfolg bei den schläfrigen Massen, jenem seine Exzentrik.       tst
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M
Deutschland 1931 - Produktion: Nero; Verleih: Dietz - Regie: Fritz Lang; Buch: Thea von Harbou und Fritz Lang; Kamera: Fritz Arno Wagner; Darsteller: Peter Lorre, Gustaf Gründgens, Fritz Odemar, Paul Kemp, Theo Lingen, Otto Wernicke, Theodor Loos.
Als 1930 die Presse "M" unter dem Titel "Mörder unter uns" ankündigte, fühlte sich die NSDAP getroffen; Lang wurde anonym bedroht, die Staakener Ateliers schlössen vor ihm ihre Tore, Boykott wurde geplant. Da wurde den Nazis klargemacht, dass der Film sich nicht von ihresgleichen, sondern vom Düsseldorfer Kindermörder Kürten inspirierte; und nachdem Lang überdies den "die Deutschen beleidigenden" Titel radikal kürzte, gaben sich die Nazis zufrieden - nicht ahnend, dass der Film Dokument und Spiegel seiner und damit ihrer Zeit werden würde, die sich so sehr disponiert zeigte, sich faschistisch zu infizieren. Das letzte Jahr der Weimarer Republik präsentiert sich im Film. Akteure sind die Führer der Organisationen von Polizei und Verbrechern; ausgeschaltet ist die Regierung ("Der Herr Minister scheinen nicht zu verstehen _...") und das Volk (Lohmann: "das kalte Kotzen _..."). Und das Opfer ist der Kindermörder in seiner geradezu rührenden Bürgerlichkeit - Opfer der Gewalt und vor allem Opfer seiner Triebe, die ein unerforschliches und unabänderliches Schicksal ihm auferlegte ("will nicht - muss"). Wie seinen Trieben liefert er sich der Gewalt aus, gegen deren eiskalte Logik er nur an das Mitleid zu appellieren weiss. Nicht zu durchschauen vermochte er, dass diese Logik bei längerem Zusehen dahinschmilzt: auch Führer Schränker lässt sich von seinen Emotionen leiten. Er verfolgt den Mörder zunächst, damit störende Razzien unterbleiben; alsdann - in unversöhnlichem Gegensatz - um ihn sozial unschädlich zu machen; und schliesslich - in abermals widersprüchlichem Verhalten - um die alttestamentarische Rachelust des Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn ("Dir soll dein Recht werden") zu befriedigen.
Wenn trotzdem der Film Schränkers Handeln konsequent erscheinen lässt, ist dies wohl auf die vernebelnde Atmosphäre des Terrors zurückzuführen, die im Film herrscht, und die sich weniger in konkreten Aktionen ausdrückt, wie in der Folterung des Wächters durch, den Verbrecherführer oder die Aussageerpressung durch den Führer der Polizei, der verbotenerweise mit der Strafverfolgung einer - fiktiven - Beihilfe zum Mord droht, - als in den formalen Mitteln. In diesem Film ist immer Nacht; Licht und Schatten und ziehender Rauch erzeugen jenen verwunschenen Realismus, der jede harmlose Geste in fatale Hintergründigkeit und Endgültigkeit verwandelt. Ein Bett, ein Globus und Bierflaschen in der Mordkommission erregen ebenso unbestimmtes Ahndungsvolles wie die Röhren im Heizungskeller der Schnapsfabrik und die melancholisch-nordisch-herben Takte aus de Halle des Griegschen Bergkönigs. Nimmt es wunder, dass diese Welt verdächtiger Objekte und weher Töne das Fühlen und Denken der Personen bestimmen muss?       Fk
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Mein Onkel (Mon oncle)
Produktion: Frankreich-Italien 1958; Regie: Jacques Tati; Drehbuch: Jacques Tati und Jacques Le Grange; Darsteller: Jacques Tati, Jean Pierre Zola, Adrienne Servant.
Er ist das "enfant terrible" der Familie, jener M. Hulot, der keinem richtigen Beruf nachgeht, im Armeleuteviertel eine Mansardenwohnung hat und bei diesem Zustand sogar glücklich zu sein scheint, glücklicher jedenfalls als seine reichen Verwandten. Ihre hypermoderne Villa, ihr überhygienischer Lebensstil, ihre anerkannte gesellschaftliche Stellung vermögen jedenfalls auf den Sohn des Hauses, den kleinen Gérard, nicht entfernt den Reiz auszuüben, der das kindliche Gemüt anzieht, beschäftigt, bereichert, während das dem Onkel einfach durch sein Dasein gelingt. Gérard spürt wohl, dass seine Eltern sich durch ihre selbstgeschaffenen Lebensumstände gezwungen haben, gewissermassen ständig Theater zu spielen, vor anderen, aber auch vor sich selbst. Es ist schliesslich die Eifersucht des Vaters wegen dieser kindlichen Zuneigung Gérards zu M. Hulot, die den Onkel ausser Landes bringt, gewiss kein guter, aber wenigstens ein unverfälscht menschlicher Zug an diesem perfektionierten Grossindustriellen. Und so setzt denn auch eine winzig kleine menschliche Geste gerade in dieser Situation den Anfang eines neuen Verhältnisses zwischen Vater und Sohn.
Dieser Film hat wie sein Vorläufer (Tatis "Die Ferien des Herrn Ülo" [Hulot]) eigentlich keine Handlung, es ist vielmehr eine Zusammensetzung vieler Einzelschilderungen, die auf vorzüglicher, scharfer Beobachtung beruhen. Das Verweilen bei einem Gegenstand erweist sich hier als das Mittel, ihn zu entlarven, entweder als einen guten und wohltuenden (als "beschaulich" im Wortsinn), oder als einen auf die Dauer peinlichen und quälenden. Damit enthüllt sich Tatis Film als mehr denn als unterhaltende Spielerei, so sehr man nur diese zunächst in ihm vermutet. Vielmehr zeigt sich, dass der Unterton von Ironie und von leiser Traurigkeit aufmerksam machen und zum Nachdenken anregen will.
Sind also hier Filmgesetzlichkeiten, die allmählich zu einem starren Schema zu werden drohten, zugunsten der Aussage durchbrochen, so zeigt sich Ähnliches bei der Verwendung des Tones. Der Film ist weniger ein Sprech- denn ein Geräuschfilm. Er liefert ein anschauliches Beispiel dafür, welche Möglichkeiten im Tonfilm liegen (und leider kaum je genutzt werden). Auch die Farbe wird "sprechend". Allerdings ist ihre Eigentümlichkeit (nämlich den Filmbildern grössere Plastizität zu verleiben) dem Anliegen Tatis nicht immer dienlich.       EFB
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12 Uhr mittags (High Noon)
Produktion: USA 1952; Regie: Fred Zinnemann; Drehbuch: Carl Foreman; Kamera: Floyd Crosby; Musik: Dimitri Tiomkin; Darsteller: Gary Cooper, Thomas Mitchell, Lloyd Bridges, Katy Jurado, Grace Kelly.
Will Kane, Sheriff von Hadleyville, heiratet. Gleich nach der Trauung will er den Ort verlassen. Da kommt die Nachricht, dass mit dem Mittagszug Frank Miller ankommen wird. Miller wurde von Kane des Mordes überführt, zum Tode verurteilt, dann zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt und nun, sieben Jahre nach der Verurteilung, ist er freigelassen worden. Er kommt nur, um sich zu rächen. Kane bleibt, gegen den Willen seiner Frau, gegen den Rat seiner Freunde. Auf der Suche nach Hilfspolizisten trifft der Sheriff nur Ablehnung, frühzeitige Anbiederung bei den Freunden des Gangsters, die ihn schon am Bahnhof erwarten. Amy Kane hat keinen Sinn für einen derart übersteigerten Pflichtbegriff, zumal Vater und Bruder auf die gleiche Weise umkamen, wie es auch Sheriff Kane bevorsteht. Sie will abreisen. Nach und nach stirbt die Stadt aus. Nervosität erfasst die Einwohner, die sich in der Sonntagsschule und hinter ihren Haustüren verstecken. Die Zeit verrinnt und gequält schickt sich der Sheriff an, dem Feinde entgegenzutreten. Der Zug kommt an, Miller begrüsst seine Genossen, dann stiefeln die vier Mann dem einsamen Hüter des Gesetzes entgegen. In ausgedehnter Schiesserei kommen drei der Gangster um, Kane wird verwundet, ein Schuss aus der Pistole der eben noch rechtzeitig zurückgekehrten Frau retten dem Manne das Leben. Schliesslich ereilt die Kugel auch den Halunken Miller und die Leute können ihre Köpfe wieder aus den Häusern hervorrecken.
Vom ersten Bilde an, den Vorspann eingeschlossen, schafft dieser Film vibrierende Spannung. Der ganze Film ist derart geschlossen in der Wirkung, dass keines der angewandten filmischen Wirkungsmittel auch nur in Bruchteilen fehlen dürfte: Mit einer Vielzahl von Grossaufnahmen, die sich mit fortschreitendem Zeitablauf immer mehr steigern, schaut die Kamera den Menschen dieser kleinen Stadt ins Gesicht. Eine brillant dem Bildrhythmus angepasste Musik im Verein mit der geschickt gewählten Geräuschkulisse steigert die Wirkung der Bilder. Die Darstellung ist durchweg gut, die Typen sind wie immer in solchen Filmen grossartig ausgesucht.       EFB
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Das letzte Wochenende (And Then There Were None)
Produktion: United Artists (USA, 1945); Regie: René Clair; Drehbuch: Dudley Nichols, nach dem Roman von Agathe Christie; Kamera: Lucien Andriot; Schnitt: Harvey Manger; Darsteller: Barry Fitzgerald, Louis Hayward, Walter Huston, Roland Young, Richard Haydn, Mischa Auer.

"Das letzte Wochenende" gehört zu den Filmparodien, die psychologisch am interessantesten sind. Betrachtet man sich nämlich René Clairs symbolträchtiges Gruselspiel um einen Porzellantafelaufsatz, der zehn kleine Negerlein darstellt, von denen stets dann eine Figur zerbricht, wenn in dem einsamen Wochenendhaus der Tod sich ein neues Opfer aus der verzweifelten Gästeschar geholt hat, dann bemerkt man bei einigem genaueren Hinsehen ein beständiges Schwanken in der Akzentsetzung.

Es gibt Passagen voll von trockener, jagender Dynamik - kurze, hart geschnittene Montagen, vorwärtsgetrieben durch genau punktierte rhythmisierte Musik -, denen Einstellungen gegenüberstehen, in denen alles etwas überspannt ist, wo die Spannung vor innerem Lachen zittert und diese Sequenzen so ganz von Clair'scher verhaltener Ironie erfüllt sind. Einer doppelbödigen Ironie, die sich direkt aus einer dadaistisch angehauchten Leichenbegräbnisstudie "Entr'acte" herleiten lässt, nicht eben ohne eine schüchtern vorgebrachte, in ihrem Innern traurig-komische Menschlichkeit aus "Sous les toits de Paris".

"Das letzte Wochenende" ist damit weder zu einem geradlinigen, durchsichtigen Thriller geworden noch zu einer Parodie darauf. Möglich ist, dass René Clair mit diesem Film etwas beweisen wollte. Psychologische Komponenten sind zweifelsohne in die Anlage eingeplant gewesen. Zum Beispiel die erschreckende Demaskierung der einzelnen, teilweise hervorragend interpretierten Charaktere (Barry Fitzgerald) bei der Erkenntnis der Ausweglosigkeit aus der sich immer erstickender verengenden Situation. Daneben steht das Interesse am minutiös konstruierten, knappen Thriller, der die Angst mit Hilfe der Perfektion einkreisen will. Und zum dritten die versteckte Lust, das grausige System überschnappen zu lassen, um damit die konstituierenden Ingredienzen sichtbar zu machen.       H.A.G.
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Helden
Produktion: Deutschland 1958; Regie: Franz Peter Wirth; Darsteller: O.W. Fischer, Lieselotte Pulver.
"Nüssli mit Likör" sagt der "Pralinen-Soldat" Bluntschli nach dem ersten Kuss. Er sagt es geniesserisch, denn Konfekt ist seine Schwäche, und die endlich bezwungene Bulgarenbraut hat sich infolge ihrer verleugneten Liebe auf den zweiten Blick ebenfalls auf gefüllte Süssigkeiten umgestellt - so gründlich, dass sie auch vor der Übergabe fürs Leben noch rasch ein paar Pralinen verschlingt. Äusserlich ganz Abwehr, ist sie innerlich, weil nervös, Verbraucher geworden. Dezente Werbe-Idee einer Schokoladenfabrik, literarisch verschlüsselter Slogan "Wer liebt, knabbert unsere guten _..."? Ich möchte es nicht annehmen, obwohl Bernard Shaw ja recht geschäftstüchtig war und die überschlanke Liselotte Pulver nebenher demonstriert, dass Konfekt keineswegs dick macht.

Der komische Held steht trotz seiner süssen Leidenschaft zuletzt als vernünftiges Mannsbild da. Das tut er schon in Shaws Komödie "Helden". Der bissige Ire hat um ihn herum eine Helden-Skepsis angesiedelt, die der Film insofern dämpft, als er mehr den liebenswerten Einzelfall unterstreicht. Shaws Abschweifungen ins Allgemeine sind höflich beschnitten, die Abrechnung mit dem tumb Militanten ist mit leichter Hand gemildert; es fehlen wütende Bemerkungen wie etwa die, dass "von zehn Soldaten neun geborene Dummköpfe sind".
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Unser Mann in Havanna (Our Man in Havana)
Grossbritannien 1959 - Produktion (Cinemascope): Kingsmead; Verleih: Columbia - Regie: Carol Reed; Buch: Graham Greene, nach seinem Roman; Kamera: Oswald Morris; Musik: Hermanos Deniz Cuban Rhythm Band; Darsteller: Alec Guiness, Burl Ives, Maureen O'Hara, Ernie Kovacs, Noel Coward, Ralph Richardson, Jo Morrow
In den letzten fünf Jahren enttäuschte Reed sein Publikum. "Voller Wunder ist das Leben", "Trapez" und "Der Schlüssel" liessen sich gegenüber seinem "Ausgestossen" nur als kommerzielle Konzessionen entschuldigen. Mit "Ausgestossen" hatte sich Reed 1947 zum prominenten Vertreter der englischen Schule der in der Nachkriegszeit prosperierenden Filmrealismen erhoben. In diese Vergangenheit blickte der Meister zurück und erinnerte sich, dass seine Zusammenarbeit mit Graham Greene ihm 1948 ("The Fallen Idol") kleinen, 1949 ("Der dritte Mann") aber grossen Erfolg gebracht hatte. Ein drittesmal gingen nun Reed und Greene ans Werk, - aber "Unser Mann in Havanna" wurde den Vorgängern nicht ebenbürtig.

Auf den Anfangseinfall folgt eine lose Folge von Sketchen, die mehr oder minder austauschbar und sogar entbehrlich sind. Während Greene doch Ruf und Einfluss dadurch erwarb, dass er seine Aussagen geschickt in Kriminalromane oder Abenteurergeschichten verpackte, bietet er hier eine Aphorismensammlung. Wir sehen auf Grund dieser fatalen Konstellation etwa die umständliche, aber funktionslose Schilderung, wie ein Paar sich trifft, und wir hören, wie Stichwörter an den Haaren herbeigezogen werden, damit ebenso zusammenhanglose wie unschlüssige Bonmots fallen können. Weiter werden wir mit Greeneschen Katholizismen bekannt gemacht; vom praktischen Beichtstuhl, "wo wir unsere Vergangenheit begraben können", bis zur Ehrwürdigen Mutter, die über dreckige Polizistenwitze lacht. Wir sollen aber akzeptieren, dass Warmold, der immerhin einen Mord beging, am Schluss des Films der Alte geblieben ist. Damit gab der Film nach der sozialen auch die moralische Fragestellung auf, die die Fabel hätte zusammenhalten können.

So bleibt es bei einer Szenensammlung, mit der Reed seine Kunst bewies, kleinbürgerliche Details zu registrieren; doch liess er es dabei bewenden, sie träge zu summieren, und zwar in offenem Widerspruch zu den Funktionen des Cinemascopeformats, das er schliesslich schon seit "Trapez" handhabt.

Damit bleibt das Interesse dieses Films auf den Schultern der Darsteller hängen, die Reed, als alter Schauspieler, zu führen gewusst hat. Guinness stellt, zwischen Scherz und Ernst balancierend, den kleinen Bürger dar, dessen Komplexe ihn auf sich selbst zurückweisen. Die Schüchternheit liess ihn nicht verkommen, bis die Ausnahmesituation ihn zu schockierenden Taten verurteilte: im feudalen Klub Prominenz anzusprechen, auf der Herrentoilette Bekanntschaften zu machen und Freudenmädchen zu entführen. In dieser Gestalt, die Guiness zurückhaltend und eher tragisch als burlesk verkörpert, erschöpft sich die Originalität von "Unser Mann in Havanna".       D.K.
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Im Mantel der Nacht (Le desordre et la nuit)
Produktion: Frankreich 1958; Regie: Gilles Grangier; Drehbuch: Jacques Robert, Michel Audiard und Gilles Grangier (nach dem gleichnamigen Roman von Jacques Robert); Kamera: Louis Page; Musik: Jean Yatove; Darsteller: Jean Gabin, Danielle Darrieux, Nadja Tiller, Paul Frankeur, Hazel Scott.
Albert Simoni, der Besitzer eines exklusiven Nachtlokals, ist ermordet worden. Inspektor Vallois (Jean Gabin) wird mit der Untersuchung des Falles beauftragt. Im Lokal trifft er Lucky (Nadja Tiller), die ehemalige Geliebte Simonis, die ihm folgt und ihn mit in ein Stundenhotel nimmt. Vallois fühlt sich zu dem sehr viel jüngeren, rätselhaften, verwirrenden und verführerischen Mädchen hingezogen und ist an dessen Rettung vor einer Verhaftung wegen Vergehens gegen das Opiumgesetz bald ebenso interessiert wie an der Klärung des Mordfalles, in den auch Lucky verwickelt ist.
Dies ist einer jener ausgezeichnet gestalteten und gespielten, anspruchsvollen französischen Kriminalfilme aus der Reihe "Rififi" und "Wenn es Nacht wird in Paris". Mit diesem hat er den Hauptdarsteller, den zuverlässigen, immer hervorragenden Jean Gabin gemeinsam. Die grosse Überraschung allerdings ist Nadja Tiller, die mehr noch als im "Mädchen Rosemarie", wo sie in eine gewisse Starrheit gezwängt war, durch eine weite Ausdrucksskala verblüfft. Ihr ist damit wohl endgültig der Wechsel vom Pin-up-girl zur Schauspielerin gelungen.       EFB
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Das Lächeln einer Sommernacht (Sommarnattens leende)
Produktion: Schweden 1955; Regie: Ingmar Bergman; Darsteller: Ulla Jacobsson, Eva Dahlbeck, Harriet Anderson.
Gasflammenzeit - Zeit der behüteten Advokatenfrauen, die über Straminrahmen sassen - Zeit, da die Lüge lügenhafter war, weil Plüsch und Portieren keinen Wind hineinliessen und Batiste und Voile das Sonnenlicht brachen.
Ingmar Bergman (Jahrgang 1918), Schwedens Berühmtheit unter den Regisseuren der jüngeren Generation, lebt von der Lüge. Wenn er lobsingen müsste, würde er sterben. Er hasst. Er hasst die Lüge und auch die Liebe. Vielleicht hasst er die Liebe, weil der Gipfel der Lüge im Land der Liebe liegt - ein grauenhaftes Land, wenn der Bürger darin haust.
Kein Regisseur lässt sich auf die Dauer sagen, er habe keine Hand für Leichtes, die Komödie sei ihm versagt. Auch Ingmar Bergman, der Mann, der "An die Freude", "Durst", "Die Zeit mit Monika" schuf, wollte sich nicht sagen lassen, er sei düsterer Zweifler und Verzweifler und nichts als das.
Also befahl er seinem Hass zu lächeln. Das konnte nicht gelingen. Der Titel lächelt: "Das Lächeln einer Sommernacht". (Auch das Drehbuch ist von ihm.) Aber lächelt 's herab von der Leinwand? Bestenfalls grinst der Hass. Was heiter sein soll, wird Hohn. Aus Spott wird Zynismus. Das Fröhliche wird grell, aus Lachen peitschende Lache. Nur die Musik lacht wirklich (Erik Nordgren).
Bergman glaubte geschickt zu sein, wenn er zurückging in die Zeit des Plüsches. Aber das war weder fair noch klug. Denn er bezog Karikaturen, wo er Menschen hätte zeigen sollen. Er bezog die Karikaturen aus der Zeitdifferenz in Mode und Gebärde. Das ist zu billig. Dabei macht jener Gunnar Björnstrand, eben jener Advokat Egerman, seine Sache ganz ausgezeichnet, während sein Gegenspieler Jarl Kulle den Menschen fast vergisst über der Karikatur. Auch Turtelfräuchen Ulla Jacobsson behält sehr viel Menschliches - im Gegensatz zu Eva Dahlbeck, die zwischen Mensch und Typus sich nicht entscheiden kann.
Aber die Darsteller sind vielleicht gar nicht so wichtig. Wichtig sind die Situationen, wie sie die Kamera herausspielt und wie sie in der Bilderfolge erscheinen werden. Das hat jedesmal einen langen Anlauf und mündet jedesmal zu genau in der Pointe. Das ist alles nicht selbstverständlich genug, das ist zu wenig komisch, weil zu sehr erdacht. Und die Küsse sind wieder entsetzlich schwedisch lang, und die Einblicke sind wieder schwedisch offenherzig.       (Welt)
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